Der Gouverneur macht sich mausig
Der hingebungsvolle Kleinkrieg, den der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, seit rund einem Jahr gegen den Disney-Konzern führt, brachte ihm bislang bemerkenswert wenige Erfolge. Angefangen hatte alles damit, dass Anfang 2022 ein Gesetz verabschiedet wurde, das die Behandlung von Themen wie Geschlechter oder sexuelle Orientierung in Grundschulen generell untersagt. Dazu müsste dann eigentlich auch ein Verbot jeglicher Erwähnung von Heterosexualität gehören, aber das ist de facto nicht der Fall, denn das Gesetz richtet sich gegen LGBT.
DeSantis, der zeitweise als aussichtsreicher republikanischer Präsidentschaftskandidat gehandelt wurde, war einer der maßgeblichen Befürworter des meist als »Don’t Say Gay«-Gesetz bezeichneten Parental Rights in Education Act. Zu dessen Kritikern gesellte sich im März vorigen Jahres auch der damalige Generaldirektor von Disney, Bob Chapek. Das empörte DeSantis offenkundig sehr, seither verbringt er eine Menge Zeit damit, immer neue Ideen zu entwickeln, um »woke Disney« auf die Nerven zu gehen – ein Kulturkampf gegen einen Konzern, der ihm als besonders schlimmes Beispiel für die angeblich wertezersetzende Politik vieler US-Unternehmen gilt.
Eine der schönsten Niederlagen des Gouverneurs begann damit, dass er im Februar dieses Jahres die Mitglieder des von Disney – immerhin größter privater Arbeitgeber des Bundesstaats Florida – kontrollierten Gremiums entließ, das die Selbstverwaltungsrechte des Konzerns im Gebiet der Themenparks ausübt, und durch von ihm handverlesene ultrakonservative Republikaner ersetzte. Damit hätte eigentlich alles in DeSantis’ Sinn verlaufen müssen – hätten sich die von ihm Abgesetzten nicht einen Trick einfallen lassen, mit dessen Hilfe die geplante reibungslose republikanische Machtübernahme verhindert wurde. In letzter Minute setzten sie eine Klausel in das Dokument über die Verwaltungsbefugnisse des Konzerns, in der König Charles III. von England vorkommt: Die jetzigen Bestimmungen sollen demnach bis 21 Jahre nach dem Tod von dessen letztem Nachkommen gelten.
DeSantis, der zeitweise als aussichtsreicher republikanischer Präsidentschaftskandidat gehandelt wurde, war einer der maßgeblichen Befürworter des meist als »Don’t Say Gay«-Gesetz bezeichneten Parental Rights in Education Act.
Solche sogenannten Königsklauseln werden in den USA benutzt, um Vorschriften gegen Verträge mit unbegrenzter Laufzeit zu umgehen. Der Tageszeitung The Guardian zufolge greift man bei solchen Datierungen auf die britischen Royals zurück, weil deren Stammbaum sehr gut dokumentiert ist und Mitglieder der königlichen Familie oft sehr lange leben.
DeSantis war allerdings noch lange nicht fertig mit Disney: Florida könne sich gut vorstellen, ein Hochsicherheitsgefängnis gleich neben dem Disney-Themenpark zu bauen, sagte er. Danach kam er auf eine andere Idee: Alle Beschlüsse des von ihm abgesetzten Vorstands wurden rückwirkend für ungültig erklärt. Die komfortable Parlamentsmehrheit der Republikaner wurde am 19. April dazu genutzt, neue Bestimmungen für Sondersteuerbezirke wie jenen des Disney-Konzerns durchzusetzen.
Demnach kann die Regierung ab sofort nach Gutdünken alles, was Unternehmensvorstände in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten vor der Verabschiedung neuer Gesetze beschlossen, rückgängig machen. Juristen gehen der Tageszeitung Miami Herald zufolge allerdings davon aus, dass diese Regelung verfassungswidrig sei und mittelfristig keinen Bestand haben werde.
Warum DeSantis die Idee des Gefängnisbaus wieder fallen ließ, ist unklar, allerdings wurde sie prompt durch eine neue ersetzt. Nunmehr möchten der Gouverneur und seine Partei gern sogenannte cheap housing-Projekte neben den Vergnügungsparks errichten, mutmaßlich in der Hoffnung darauf, dass Disney-Besucher es nicht schätzen würden, bei der Anfahrt zu Micky Maus mit dem Anblick von Armut konfrontiert zu werden.
Allerdings sind nicht alle Republikaner von DeSantis’ Kleinkrieg begeistert. Chris Christie, ehemaliger Gouverneur von New Jersey, der ebenfalls Präsidentschaftsambitionen hat, nannte den Angriff auf ein Privatunternehmen »unkonservativ« und sagte, der Gouverneur Floridas sei »nicht die Person, die ich dabei sehen möchte, wie sie dem chinesischen Präsidenten gegenübersitzt, um unsere nächsten Verträge mit ihm zu verhandeln«. Beziehungsweise in Gesprächen mit Wladimir Putin versucht, den Krieg in der Ukraine zu beenden: »Wenn jemand die Fallen, die Disney ihm in den Weg gestellt hat, nicht erkennt, finde ich das nicht sehr imponierend.«
DeSantis’ Chancen, nächster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden, sinken weiter.
Der Demokrat Jon Cooper, ehemals führender Spendensammler für Joe Bidens Wahlkampagne, twitterte am Wochenende: »Wenn Ron DeSantis im Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur gegen Micky Maus antreten würde, könnte seine idiotische Fehde mit Disney World sinnvoll sein. Bedauerlicherweise für ihn tut er das nicht.«
DeSantis’ Chancen, nächster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden, sinken weiter. Bei einer Pressekonferenz anlässlich seines Japan-Besuchs am Montag, der eigentlich seine außenpolitische Kompetenz zeigen sollte, wurde er gefragt, was er zu den aktuellen Meinungsumfragen sage, die ihn weit abgeschlagen hinter Donald Trump zeigen. Er antwortete mit zornverzerrtem Gesicht, dass er ja noch kein offizieller Kandidat sei und man abwarten solle, wann und ob sich das ändere.
Das Video des bizarren Auftritts verschwand jedoch wegen einer bedeutenderen Personalie rasch aus den Nachrichten: Am Montag wurde bekannt, dass der Sender Fox News den Moderator Tucker Carlson fristlos gefeuert hat. Nicht wenige Experten meinen nun, dass er zum Vizepräsidentschaftskandidaten von Donald J. Trump werden könnte. Carlson hatte DeSantis’ Feldzug gegen Disney unterstützt, viele seiner Fans machen den Konzern nun für die Entlassung verantwortlich.