Das Raumfahrtunternehmen SpaceX hat die leistungsstärkste Rakete der Welt getestet

Erfolgreich explodiert

Die neue Rakete von SpaceX schaffte es bei ihrem ersten Flug nicht in den Orbit, der Test wird von der Weltraumfirma trotzdem als Erfolg gewertet. Anwohner und Umweltschützer beklagen hingegen Schäden in der Umgebung.

Der perfekte Flug des »Starship« hätte so ausgesehen: Eine 90minütige Reise vom Startplatz in Südtexas bis zur Landung in den Gewässern vor Hawaii. ­Allerdings geriet die unbemannte Rakete der Weltraumfirma SpaceX bei ihrem ersten Test am 20. April bereits rund drei Minuten nach dem Start ins Taumeln, eine Selbstzerstörungsautomatik wurde ausgelöst, die Rakete gesprengt, verletzt wurde niemand.

»Starship« ist das größte und leistungsstärkste jemals gebaute Raketensystem: Die Trägerrakete »Super Heavy« hat eine Länge von 69 Metern, die dazugehörige Raumkapsel mit Raketenoberstufe, das eigentliche »Starship«, ist 50 Meter lang. Mit einer Schubkraft von 74 Meganewton kann die »Super Heavy« theoretisch mehr Ballast befördern als jede ihrer Vorgängerinnen.

Das private Unternehmen von Elon Musk, dem derzeit zweitreichsten Menschen der Welt, bezeichnet schon das Abheben von der Startrampe als Erfolg. Die größte Sorge, so Musk, sei gewesen, dass die Startrampe schmelzen könnte, da in diesem Fall die Reparatur der Schäden Monate dauern würde.

Die Ambitionen sind groß und die Zeit ist knapp. SpaceX ist unter Vertrag, Rakete und Raumfähre für Artemis 3 zu stellen, dem ersten bemannten Mondflug der Nasa seit 1972.

Für SpaceX sind solche Misserfolge beim Testen neuer Systeme üblich. Auch die Rakete »Falcon 9«, mit der derzeit Weltraumflüge der Firma stattfinden, musste häufig getestet werden, bevor sie einsatzfähig war. »Bei einem Test wie diesem besteht der Erfolg darin, was wir lernen«, schrieb das ­Unternehmen auf Twitter. Der heutige Test werde helfen, die Zuverlässigkeit des »Starship« zu verbessern.

Die Ambitionen sind groß und die Zeit ist knapp. SpaceX ist unter Vertrag, Rakete und Raumfähre für Artemis 3 zu stellen, dem ersten bemannten Mondflug der Nasa seit 1972. An Bord eines »Starship« sollen Ende 2025 ­voraussichtlich zwei Astronaut:innen in der Südpolregion des Monds landen. Im Rahmen des Artemis-Programms sollen eine orbitale Raumstation sowie eine Mondbasis entstehen.

Geplant sind auch Flüge zum Mars. Musk beschreibt »Starship« als LKW, der in den kommenden Jahrzehnten Menschen und Material zur Oberfläche des roten Planeten transportieren soll. Die Firma SpaceX gründete er nach eigener Darstellung mit dem Ziel, die Besiedlung eines anderen Planeten zu ermöglichen. Die Kosten und technischen Probleme eines bemannten Flugs zum Mars wären jedoch immens.

Die zivilen Projekte von SpaceX erhalten die meiste Aufmerksamkeit, die Firma ist in den vergangenen Jahren jedoch zum größten Rüstungsunternehmen im Orbit aufgestiegen. Ein Großteil ihrer Einnahmen stammt aus Verträgen mit dem US-Verteidigungsministerium. Hauptauftraggeber ist die 2019 ins Leben gerufene »Space Force«, die für das All zuständige Abteilung des amerikanischen Militärs. Im vergangenen Jahr flossen 2,8 Milliarden US-Dollar aus der Staatskasse an das Unternehmen, um Material – derzeit ­Satelliten – in den Orbit zu befördern. Militärische Satelliten werden auch ­zusammen mit den Starlink-Satelliten von SpaceX transportiert. So verdient SpaceX an der Infrastruktur, die es ohnehin für das eigene orbitale Mega­projekt geschaffen hat, das bei seiner Fertigstellung aus mindestens 12.000 Satelliten für Internetzugang und Telekommunikation bestehen soll.

Alle Teile des »Starship« sollen den Plänen zufolge wieder sicher auf den Boden gebracht und erneut verwendet werden können. Dadurch sollen in Zukunft die Kosten für den Transport von Nutzlasten in die Erdumlaufbahn ­deutlich sinken.

»Die Stadt verhält sich wie eine Immobilienfirma. Anstatt Häuser für die vielen Armen hier zu bauen, kümmern sie sich um die Neuzugänge für SpaceX.« ­Rebekah Hinojosa, Umweltschützerin

Bis es so weit ist, wird es aber wohl noch vieler Tests am Weltraumbahnhof »SpaceX South Texas launch site«, mittlerweile »Starbase« genannt, bedürfen. Musk kam nach der Gründung von SpaceX im Jahr 2002 in die Region Boca Chica ganz im Süden von Texas, wo er den Prototyp eines Dorfs für eine Siedlung auf dem Mars errichten wollte. Die »Starbase« steht mitten in einem Salzwassersumpf, in dem auch gefährdete Zugvögel nisten, und ist von ­empfindlichen Ökosystemen und Naturschutzgebieten umgeben. Seit 2018 ­besetzt Tesla mit seinen Entwicklungs- und Fertigungsanlagen, dem Startkomplex sowie mehreren Hangars und Bürogebäuden einen Landstrich direkt zwischen den Schutzgebieten.

Die angrenzende kleine Feriengemeinde Boca Chica Village hat SpaceX weitgehend aufgekauft. Die verbleibenden Einwohner wurden mit Kopfhörern zum Schutz vor den extrem lauten Raketentests ausgestattet und SpaceX zahlt ihnen auch schon mal eine Nacht in einem Hotel andernorts, wenn ein Start ansteht und damit die Gefahr durch berstende Fenster im Falle von Schockwellen bei einer Explo­sion.

Auch für die nächstgrößere Stadt Brownsville bedeutet SpaceX wenig Positives, sagte die Umweltschützerin ­Rebekah Hinojosa der Jungle World, die sich gegen den Ausbau von Großin­dustrie entlang der Küste engagiert. Die Region ist eine der ärmsten der USA, der plötzliche Zuwachs an gutbezahlten Facharbeitern lässt die Wohnungs­preise steigen. »Die Stadt verhält sich wie eine Immobilienfirma«, sagte Hinojosa dazu im Interview. »Anstatt Häuser für die vielen Armen hier zu bauen, kümmern sie sich um die Neuzugänge für SpaceX.«

Die Auswirkungen des »Starship«-Starts waren in der Umgebung zu spüren: Die Startrampe wurde weitgehend zerstört, dadurch wurden große Mengen an Feinstaub aufgewirbelt und über mehrere Kilometer verteilt. Dieser Feinstaub ist dem Technikportal The Verge zufolge für die umliegenden Gemeinden ein ernsthaftes Problem, da er für die menschliche Gesundheit und die lokale Umwelt schädlich sein kann. Die Bewohner der nahegele­genen Stadt Port Isabel beklagten sich über zerbrochene Fenster und erschütterte Gebäude sowie über Staub, der auf ihre Stadt niederging. Der Start entfachte auch ein großes Feuer in einem südlich gelegenen Staatspark.