Jenny Kiekbusch, Redaktion der Straßen aus Zucker, über das geplante Comeback der linken Jugendzeitschrift

»Ein kategoriales Unbehagen mit der Welt kultivieren«

Wer jung ist und mal etwas mit der Antifa zu schaffen hatte, kennt vermutlich »Straßen aus Zucker«. Doch derzeit steckt die linke Jugendzeitschrift finanziell in der Klemme. Die »Jungle World« sprach mit ­Jenny Kiekbusch (Name geändert) von der Redaktion über die Lage der Zeitschrift.
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Im Dezember habt ihr eure Finanzprobleme öffentlich gemacht und eine Aktion gestartet, bei der man gegen Spende einen Kunstdruck erhält. Wie seid ihr in diese Notlage geraten?
Wir haben uns vor allem über drei Wege finanziert. Einmal über Festivals, auf denen wir gearbeitet und unsere Löhne dann Straßen aus Zucker gespendet haben. Zweitens über einzelne Spenden. Und drittens über die Rosa-Luxemburg-Stiftung. 2016 ist dann die Förderung von der Rosa-Luxemburg-Stiftung weggefallen.

Lag das an dem Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht auf dem Magdeburger Parteitag der Linkspartei 2016 – weil die dafür verantwortliche Person angeblich in den Parteitag gelangt war, indem sie sich über Straßen auf Zucker akkreditierte?
Es wird oft so dargestellt, als sei das ein Resultat des Tortenwurfs gewesen. Dieser wurde damals uns angelastet, obwohl wir dafür nicht verantwortlich waren – trotz unserer Kritik an Wagenknechts Nationalismus. Tatsächlich wollte die Rosa-Luxemburg-Stiftung ihre Förderung aber ohnehin reduzieren. Wegen Corona ist ab 2020 außerdem auch das Geld von den Festivals weggebrochen. Das Ergebnis ist: Wir sind pleite.

Was habt ihr sonst noch vor, um euch finanziell über Wasser zu halten?
Erst einmal läuft die Kunstaktion gut. Außerdem hoffen wir wieder auf Festivals. Und vor allem auf Spenden. Außerdem machen wir Partys. Vielleicht kommt noch eine Kunstdruckaktion. Letztlich haben wir aber dieselben Probleme wie alle linken Gruppen, wenn es um Geld geht.

Ihr habt ja eine größere Auflage als ND, Jungle World, Taz, Junge Welt, Jacobin Deutschland, Konkret, Bahamas und Analyse & Kritik zusammen.
Wow, das ist natürlich beeindruckend, wenn du das alles so aufzählst. Und da sind wir auch stolz drauf. Trotzdem muss man dazu sagen, dass diese Publikationen ja vierteljährlich, monatlich, wöchentlich oder täglich erscheinen. Wir erscheinen dagegen nur alle zehn bis zwölf Monate. Trotzdem stimmt es: wir sind richtig groß und die Auflage von 150.000 geht auch wirklich weg. Und genau das zeigt auch, warum es uns braucht. Es braucht eine linke Zeitung, die niedrigschwellig und ohne komplizierten Duktus Nationalismus- und Kapitalismuskritik betreibt. Und mit einem feministischen Blick auf die Welt schaut. Gleichzeitig wollen wir nicht für eine linke Szene schreiben, sondern für 17jährige Schüler:innen und Auszubildende. Dass das funktioniert und so stark nachgefragt wird, zeigt, dass es uns und unser Konzept braucht.

Wie wird eure inhaltliche Ausrichtung in Zukunft aussehen?
In der nächsten Ausgabe geht es unter anderem um Protest. Da wollen wir Gewissheiten von liberalen und bürgerlichen Protesten irritieren. Aber auch von linken. Wir wollen allgemein ein kategoriales Unbehagen mit der Welt in Worte fassen und jungen Leuten Argumentationshilfe an die Hand geben. Beim Thema Protest wollen wir zum Beispiel zeigen, dass Petitionen und Briefe an den Bundeskanzler nur begrenzt wirksam sind. Außerdem wollen wir die Leute für Diskussionen in der Schulklasse und auf dem Uni-Campus munitionieren.

Gibt es noch Kunstdrucke? Und wie kann man euch abgesehen davon Geld spenden?
Kunstdrucke gibt es noch. Und zwar in Berlin in den Buchläden »Zur Schwankenden Weltkugel« und »Pro Qm« und in der Rösterei »Blaue Bohne«, in Leipzig im Kinderladen »Wonnecitz« und in Hamburg in der »Buchhandlung im Schanzenviertel«. Außerdem kann man sie auch direkt von uns erhalten.