Über die Ausprägungen des Judenhass in der Gegenwart

Kritik des Antisemitismus heute

Ein zentrales Moment des modernen Antisemitismus ist der Hass auf die abstrakte Seite ökonomischer Prozesse, die in den Juden biologisiert wird. So wird versucht, das Ungreifbare dingfest zu machen. Zur Kritischen Theorie antijüdischer Projektionen, der Persistenz des Anti­zionis­mus und der gegenwärtigen Gefahr des islamischen Antisemitismus.
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Die akademische Beschäftigung mit Antisemitismus kann keine interesselose sein, notwendigerweise impliziert die Beschäftigung mit dem Gegenstand dessen Verurteilung. Einer Kritik des Antisemitismus muss es um die Verunmöglichung des Antisemitismus und um seine ideologiekritische Dechiffrierung gehen. Jede noch so treffende Rekonstruktion des Bewusstseins der Antisemiten, jede noch so detaillierte Nacherzählung der Geschichte des Antisemitismus steht letztlich staunend vor dem projektiven Wahn des Judenhasses, dem es gilt entgegenzutreten. Um es mit den Worten von Maximilian Gottschlich zu sagen: »In Wahrheit gibt es letztlich nur ein einziges tragendes Motiv, sich mit Antisemitismus zu beschäftigen: ihm Widerstand entgegenzusetzen.« Und doch sind sowohl die ideologiekritische Rekonstruktion des antisemitischen Bewusstseins als auch die präzise historische Darstellung der Modifikationen des Antisemitismus zwingend erforderlich – allein schon um sich bei seiner Bekämpfung keinen Illusionen hinzugeben, die Grenzen der theoretischen Kritik auszuloten und die Notwendigkeit der praktischen Gegenwehr zu verdeutlichen.

Gerhard Scheit hat schon während der Zweiten Intifada darauf verwiesen, dass es die Aufgabe einer jeden Antisemitismuskritik ist, den Zusammenhang zwischen den Antisemiten und der Gesellschaft, die sie hervorbringt, sichtbar zu machen. Zugleich gilt es zu verdeutlichen, dass dieser Zusammenhang weder zur Entschuldigung der Antisemiten noch der Gesellschaft taugt. Auch in einer die Entfaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Individuen beschränkenden Gesellschaft sind Subjekte, die sich für Hass und Gewalt gegenüber Juden, jüdischen Institutionen oder dem jüdischen Staat entscheiden, für ihre Entscheidungen zur Verantwortung zu ziehen.

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