Zeitreise in die Diktatur
Zwei frische Blumensträuße liegen auf der Steinplatte vor dem Hauptaltar in der Basilika des »Valle de los Caídos« (Tal der Gefallenen), einer Gedenkstätte in der Sierra de Guadarrama nordwestlich von Madrid. Einer davon ist mit einer Schärpe in den Farben der spanischen Flagge versehen. Darunter befand sich an jenem Tag Mitte April noch das Grab von José Antonio Primo de Rivera (1903–1936). Frischen Blumenschmuck gebe es jeden Tag, sagt ein Sicherheitsmann.
Knapp eine Woche später, am 24. April, wurden die sterblichen Überreste Primo de Riveras aus der franquistischen Gedenkstätte auf den Friedhof San Isidro in Madrid überführt. Der Leichnam des Diktators Francisco Franco (1892–1975) war bereits am 24. Oktober 2019 exhumiert und auf dem Friedhof Mingorrubio in Madrid beigesetzt worden – dies hatte die von der sozialdemokratischen PSOE geführte Regierung gegen den Willen der Familie durchgesetzt.
Primo de Riveras Umbettung ins Familiengrab erfolgte hingegen auf Initiative der Nachkommen, allerdings um der Regierung zuvorzukommen, die Francos Leichnam nach der Genehmigung durch das Oberste Gericht schleunigst per Helikopter hatte aus dem Tal ausfliegen lassen. 1933 hatte Primo de Rivera die Falange Española gegründet, er wurde 1936 hingerichtet. Im Franquismus wurde um den »Märtyrer« ein Personenkult entfacht, der noch immer Anhänger:innen hat. So nahmen auf dem Friedhof San Isidro einige Dutzend Faschist:innen den Sarg ihres Idols in Empfang und beschimpften die Regierung als »Grabschänder«, sie wurden von der Polizei – durchwegs sanft – zur Ordnung gerufen.
Trotz anhaltender Popularität bei Rechtsextremen verfallen Teile der Gedenkanlage. Die Standseilbahn zum höchsten Kreuz der Welt ist längst außer Betrieb.
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