Was Lech Wałęsa, Peer Steinbrück und Uli Hoeneß gemeinsam haben

Homestory #23/23

Schweigen ist Gold, aber Reden bringt Geld.
Homestory Von

Aktuelle Ereignisse bringen manchmal ein Wiedersehen mit Menschen mit sich, die man fast vergessen hatte. So etwa die Großdemonstration in Warschau, an der auch Lech Wałęsa teilnahm.

Das führte zu der Frage, was er eigentlich sonst so macht. Von seiner Pension kann der 79jährige nach eigenen Abgaben nicht leben, da seine Ehefrau zu viel Geld ausgebe, also müsse er reden. Nicht einfach so natürlich, sondern für Geld. Die Pandemie habe ihn in den Bankrott getrieben, bekannte er im vorigen Jahr, ansonsten aber erhalte er als keynote speaker zwischen 10.000 und 100.000 US-Dollar pro Rede. Auch ein ehemaliger Gewerkschaftsführer kann im Kapitalismus also einen hohen Marktwert erreichen.

Beim Vergleich der Stundenlöhne könnte man neidisch werden. Ja, wäre man nur prominent geworden!

Das Unternehmen »Die Redneragentur« ist nicht so indiskret, die von ihm angebotenen speakers mit Preisschildern zu versehen, doch darf man annehmen, dass Peer Steinbrück, ehemals Bundesminister der Finanzen (2005–2009), billiger zu haben ist. Eine Vorstrafe ist übrigens kein Hindernis für eine Karriere als speaker, Die Redneragentur vermittelt auch Uli Hoeneß. Er spricht nicht über Steuersparmodelle, sondern darüber, »was Wirtschaftsunternehmen vom Sport lernen können«. Und sogar Christian Wulff, Bundespräsident a. D., ist noch im Geschäft, wenn auch mit dem rätselhaften Thema »Zukunft gewinnt man nicht ohne Ambitionen« im Angebot.

Beim Vergleich der Stundenlöhne könnte man neidisch werden. Ja, wäre man nur prominent geworden! Hochwohlgeboren zu sein, hilft natürlich auch, oder einen royal zu heiraten wie Meghan, die im Duo mit Harry eine Million US-Dollar pro Rede verdienen soll.

Andererseits wird man entweder von Paparazzi verfolgt und benötigt Leibwächter oder redet, wie Wulff im Februar, bei so glamourösen Ereignissen wie dem »Festakt 50 Jahre Landkreis Calw«.

Der Marktwert noch praktizierender wie ehemaliger Journa­list:innen ist offenbar nicht sehr hoch, profitabler scheint da ein Youtube-Kanal zu sein, der allerdings nur gut läuft, wenn man sich, wie Julian Reichelt, hinreichend skandalös präsentiert. Für Linke ist ein hoher Marktwert – ja, so ungerecht ist der Kapitalismus – viel schwerer zu erreichen. Auch der von Wałęsa wäre wohl geringer, wenn er nicht Gewerkschaftsführer im Realsozialismus gewesen wäre.