»Demonstrationen müssen dort stattfinden, wo es unbequem ist«
Das diesjährige Motto lautet: »Homos sagen ja zu Israel«. Weshalb?
Wolfgang Beyer: Wir blicken jedes Jahr auf aktuelle Entwicklungen und fragen uns: Was hat das mit uns zu tun? Israel ist das Land im Nahen Osten, in dem Homosexuelle und Queers frei leben und sich organisieren können. Gerade wird das Existenzrecht dieses Staates angegriffen. Gleichzeitig sprechen queere Menschen in Deutschland von der Hamas als Befreiungsbewegung. Dem wollen wir etwas entgegenstellen. In den vergangenen Jahren haben wir das Banner mit dem Motto zwei Wochen vor der East Pride über dem Tor der Gethsemanekirche enthüllt und die Demonstration mit einer Andacht dort begonnen. Leider hat die Gethsemanekirche entschieden, dieses Motto mit dem Bezug zu Israel nicht zu unterstützen. Dort hatten sich die »Lesben in der Kirche« in den achtziger Jahren getroffen, weshalb sie für uns ein Schlüsselort ist. Wir werden mit der Demonstration dennoch vor der Kirche starten und dann an der Neuen Synagoge/Centrum Judaicum beenden.
»Auch in unserem persönlichen und politischen Umfeld gab es einige Brüche. Es ist wie beim Coming-out: Plötzlich sind Freund:innen weg und ganz neue kommen dazu.«
Welche Rückmeldungen habt ihr darüber hinaus bisher erhalten?
Anette Detering: Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen. Menschen, die bisher nicht bei der East Pride waren, wollen sich dieses Jahr beteiligen und sind dankbar für die Empathie und Solidarität, die sie durch diese klare Positionierung erfahren. Leider berichten Teilnehmer:innen aus den vergangenen Jahren auch von Angst vor Anfeindungen, wenn sie sich zu diesem Thema offen äußern. Besonders freuen wir uns über Djane Anat. Sie wird bei der East Pride auflegen. Auch in unserem persönlichen und politischen Umfeld gab es einige Brüche. Es ist wie beim Coming-out: Plötzlich sind Freund:innen weg und ganz neue kommen dazu.
Wie ist die East Pride Berlin entstanden?
WB: Als der Berliner CSD 2020 aufgrund der Coronamaßnahmen als virtuelles Event stattfinden sollte, war uns klar: Demonstrationen gehören auf die Straße und müssen dort stattfinden, wo es unbequem ist. Die East Pride führt seit 2021 durch die Berliner Bezirke Prenzlauer Berg und Mitte. Wir wollen an die Geschichte der Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR und an ihre Kämpfe und Verdienste erinnern.
Für welche Anliegen seid ihr in den vergangenen Jahren auf die Straße gegangen?
AD: Neben dem bleibenden Bezug auf die Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR veranstalten wir die East Pride jedes Jahr unter einem Motto. 2021 waren wir Teil einer Sterndemonstration und haben unter dem Motto »Homophobie ist Sünde« die Situation von LGBT in Polen thematisiert. 2022 war das Jahr des russischen Angriffs auf die Ukraine. Deshalb demonstrierten wir unter dem Motto »Aus Homophobie folgt Krieg«. Und 2023 solidarisierten wir uns mit der LGBT-Bewegung in Uganda, nachdem das Parlament dort homosexuelle Handlungen mit schweren Strafen bis hin zur Todesstrafe belegt hat. Das Motto war: »Homosexualität ist für alle da«, denn dieses Gesetz dient dazu, die ganze Gesellschaft in Angst und Schrecken zu versetzen.