Der Judenhass
Seit dem 16. Jahrhundert breiteten sich die weltweiten Handelsströme mit dem europäischen Kolonialismus massiv aus. Der Merkantilismus als dominante Wirtschaftsform förderte den Export von Fertigwaren. Der langsame Abbau von Zunftprivilegien und die Abschaffung von Binnenzöllen ließen erste kapitalistische Strukturen entstehen. Damit stieg auch die ökonomische Bedeutung der Geldwirtschaft an. Einzelne Juden, die im Geldhandel oder im Kaufmannsgewerbe tätig waren, gelangten dadurch in prominente Positionen. Als Geldleiher und Kreditgeber wurden sie dann in Krisen für die Verwerfungen verantwortlich gemacht. Der ökonomisch motivierte Judenhass stieg stark an. Allgemein differenzierte sich in dieser Umbruchphase die soziale Stellung der Juden deutlich aus und die Unterschiede wuchsen, sowohl zwischen West- und Osteuropa als auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaften. Da den Juden der Beitritt zu Zünften verschlossen gewesen war, hatten viele sogenannte freie Berufe ergriffen. Diese berufliche Struktur wiederum erwies sich bei der Entstehung des Handelskapitalismus als vorteilhaft. So nahmen beispielsweise jüdische Bankhäuser dabei eine herausgehobene Funktion ein. Ferner waren die jüdische Mehrsprachigkeit und die transnationalen Netzwerke, die Juden im Laufe der Jahrhunderte wegen ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung herausgebildet hatten, von Nutzen. Folglich waren die Juden nach wie vor gesellschaftlich ausgegrenzt und diskriminiert, erwiesen sich bei der Entstehung der modernen, kapitalistischen Gesellschaft jedoch häufig als Vorreiter. Den Judenhassern erschienen sie als Profiteure und die eigentlich Verantwortlichen für die Veränderung der alten Strukturen. In diesem Umbruchprozess stand die Zugehörigkeit der Juden zur jeweiligen Gesellschaft immer wieder zur Debatte.
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