Warum man kinderlose ­Katzenfrauen wählen sollte

Eine Katze für sich allein

Kinderlosen Frauen fehle die Erfahrung der Mutterschaft, was sie zu weniger guten Politikerinnen mache, so das bei Konservativen und anderen Rechten verbreitete sexistische Vorurteil. Dabei spricht eigentlich vieles dafür, ihnen nur Gutes zuzutrauen.

Kinderlose Katzenfrauen wirken unabhängig und selbstgenügsam, deswegen nehmen manche Männer, wie Donald Trumps Vize-Kandidat J. D. Vance, sie als Bedrohung wahr. Letzterer wurde kürzlich für ­herabwürdigende Aussagen über »kinder­lose Katzenfrauen« kritisiert, die er 2021 getätigt hatte.

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Auf der Suche nach Beispielen für kinderlose Frauen mit Katzen mag einer zuerst die russische Meistertänzerin und Tierliebhaberin Anna Pawlowa mit ihrer Siamkatze einfallen. Oder aber die großartige Margot Friedländer, die Shoah-Überlebende, die engagiert über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufklärt und es im Alter von 102 Jahren kürzlich sogar auf das Cover der deutschen Vogue schaffte.

Man könnte bei kinderlosen Frauen mit Katze auch an die hochintelligente, aber verrückte »cat lady« aus der Serie »Die Simpsons« denken oder an Madame Adelaide Bonfamille, die im Disney-Klassiker »Aristocats« ihr gesamtes Vermögen zunächst nur ihren eigenen drei Vierbeinern hatte geben wollen und es dann allen Katzen von Paris vermachte.

Besonders beunruhigend wirken diese Frauen eigentlich nicht. Dennoch warnte Donald Trumps heutiger Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance 2021 davor, dass solche kinderlosen Katzenfrauen, zu denen er auch Kamala Harris zählte, wenn die denn in ­Regierungsverantwortung kämen, eine Gefahr für die USA darstellen würden. Diese Frauen seien »mit ihrem eigenen Leben und den Entscheidungen, die sie getroffen haben, unglücklich«, deshalb würden sie »auch den Rest des Landes unglücklich machen wollen«, behauptete er damals in einem Interview mit dem Sender Fox News.

Die Sache mit den Katzen

Vances herabwürdigende Aussagen wurden in den sozialen Medien auf­gegriffen, kurz nachdem Donald Trump ihn zu seinem Vize-Kandidaten ernannt hatte. Zahlreiche prominente Frauen wie die Schauspielerinnen Jennifer Aniston und Whoopi Goldberg ­sowie Expertinnen wie Debbie Walsh, die Vorsitzende des Center for Ame­rican Women and Politics, drückten öffentlich ihre Empörung aus. In Megyn Kellys Internet-Talkshow sagte Vance daraufhin, es sei ihm vor allem darum gegangen, wie »tiefgreifend« das Elternsein den Blick auf die Dinge verändere. Trump, der fünf Kinder aus drei Ehen hat, rechtfertigt die Aussagen seines Mitstreiters damit, dieser liebe eben die Familie und bedauere, dass nicht jeder, der will, eine solche haben könne. Vance und seine Ehefrau haben bislang drei Kinder.

Sowohl Vance auch als seine Kritikerinnen blenden die Sache mit den Katzen aus und rücken die Kinderlosigkeit in den Fokus. Doch wenn Konservative und autoritäre Charaktere lieber von Männern oder wenn überhaupt von Frauen, so allenfalls von Müttern regiert werden wollen, offenbaren diese selbst allerlei kindliche Züge und zeigen, dass sie mit coolen Freigängerkatern nicht das Geringste gemein haben. Von Frauen regiert zu werden, die ihre mütterlichen Instinkte unter Beweis gestellt haben und etwas Fürsorgliches ausstrahlen, mag vor allem emotional weniger reifen Menschen und vertrauter und sicherer erscheinen.

Die Giorgia Melonis, Ursula von der Leyens, Marine Le Pens und Coney Barretts dieser Welt setzen ihre Rolle als sorgende Mutter daher politisch ein. Dass Angela Merkel, die wie Kamala Harris nur Stiefkinder hat, eine politische Karriere machte, ist eher eine Ausnahme als die Regel, obwohl in fast jeder anderen Branche Kinder für Frauen noch immer eher ein Hindernis als eine Qualifikation darstellen. Auch von männlichen Politikern wird oft erwartet, Nachwuchs zu haben, was es allerdings nicht besser macht: Unverändert geht es dabei schließlich darum, dass Frauen ihre Gebärmutter benutzen, um nicht im Ruf zu stehen, der traditionellen Familie eine Absage zu erteilen.

Lebendige Negation dessen wofür Vance steht

Wenngleich die Angst vor Kinderlosen vielleicht größer ist als die Angst vor Katzenhalterinnen, so hat doch gerade die Kombination von beidem auf besonders unsympathische Männer eine faszinierend abschreckende Wirkung: Kinderlose Katzenfrauen sind ein Alptraum, sie sind die lebendige Negation dessen wofür Vance steht, auch wenn dieser mittlerweile behauptet, dass seine Aussage ohnehin nur sarkastisch gemeint gewesen sei; er habe nichts gegen Katzen, er habe selbst einen Hund. Selbstredend kann man nicht ausschließen, dass es sich in seinem Fall einfach um eine zufällige Formulierung handelte – trotzdem ist die Frau mit Katze kein neues Feindbild für viele Männer. Und die Gründe dafür sind vielfältig.

Ein Aspekt dieses Feindbilds dürfte seit jeher die Angst solcher Männer vor Isolation und Bindungsmangel sein: Eine selbstgenügsame, unabhängige Frau entscheidet sich womöglich für Katzen statt für Kinder und eventuell sogar gegen eine heterosexuelle Partnerschaft.

Eine Freundschaft mit der Verkäuferin in der Zoohandlung ist vielleicht nicht so bindend wie die Kontakte, die Mütter und Väter auf Elternabenden ihrer Kinder fast zwangsläufig schließen, aber dafür ist sie auch weniger lauernd und konkurrenzbehaftet. Auf den so verringerten Stresspegel von ­familienlosen Katzenfrauen kann man also durchaus neidisch sein.

Der Nazi-Literat Will Vesper hat Katzen als die Juden unter den Tieren bezeichnet.

Ein weiterer Aspekt des Unbehagens, das cat ladies bei manchen auslösen, mag ihre moralische Überlegenheit sein. Auch wenn die wenigsten vernünftigen Menschen dies als Argument gegen das Kinderkriegen hervorbringen mögen, ist es objektiv ökologischer, keinen Nachwuchs zu haben. Wer aus dieser Position heraus auch noch ein Tier aus dem Tierheim oder von der Straße bei sich aufnimmt, schüchtert womöglich ein.

Die cat lady, die Katzen Kindern vorzieht, trifft auch noch ökonomisch die sinnvollere Entscheidung. Denn dem Statistischen Bundesamt zufolge kostete ein Kind im Jahr 2018 in Deutschland seine Eltern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs fast 150.000 Euro. Die Haltungskosten für eine Katze belaufen sich bei einer Lebensspanne von 16 Jahren hingegen nur auf bis zu 11.450 Euro.

Harris hat keine Haustiere

Kinderlose Katzenfrauen beweisen also Eigenschaften, die Männer sich gerne selbst zuschreiben und die in der Politik von Vorteil sind. Doch nicht nur sie, auch Mutter-Katzenfrauen können, indem sie sich den Katzen nahe fühlen, Kontroll- oder Dominanzbedürfnisse von Männern stören. Katzen, und das ist mehr als eine Binsenweisheit, lassen sich nicht wie Hunde oder Kinder zähmen und für die Polizei ausbilden. Man assoziiert sie mit Hexen, Spieltrieb, kaputten Blumenvasen, Weglaufen, Unabhängigkeit, Nachtakti­vität und Neugier, kurz: mit allem, was ein autoritärer Charakter nicht verstehen kann. Der Nazi-Literat Will Vesper hat Katzen als die Juden unter den ­Tieren bezeichnet.

Alles, was an Katzenfrauen gehasst wird, ist also ein Grund mehr dafür, sich wenn schon von irgendjemanden, so doch am liebsten von einer solchen regieren zu lassen. Kamala Harris indes hat keine Haustiere, dafür aber ein enges Verhältnis zu den zwei Kindern, die ihr Mann aus seiner ersten Ehe mitbrachte. Daraus folgt zwar nicht automatisch, dass sie zur Präsidentin ungeeignet ist, aber wenn sie nicht gegen ­einen solchen Hund wie Donald Trump anträte, sollte man dieses Manko in der Wahlkabine mitberücksichtigen.