Dunkler Sauerstoff
»Der aufregendste Satz in der Wissenschaft, derjenige, der neue Entdeckungen verkündet, lautet nicht ›Heureka!‹, sondern: ›Das ist merkwürdig.‹« Dieses Zitat wird dem russisch-US-amerikanischen Biochemiker und Science-Fiction-Autor Isaac Asimov zugeschrieben – wohl fälschlicherweise zwar, aber dennoch ist etwas Wahres dran.
Die Vermutung lag nahe, dass die Manganknollen selbst etwas mit dem Phänomen zu tun haben.
So etwa im Fall eines Forschungsteams, das den Meeresboden in einer zentralpazifischen Region namens Clarion-Clipperton-Zone untersuchte. Dieses Gebiet war schon einmal Thema an dieser Stelle, denn dort wecken große Vorkommen an Manganknollen Begehrlichkeiten; erste Lizenzen für den Tiefseebergbau wurden bereits vergeben.
Schon im Jahr 2013 maßen Wissenschaftler:innen dort den Sauerstoffgehalt am Grund des Ozeans – und glaubten zunächst an eine Fehlfunktion ihrer Sensoren. Denn denen zufolge entstand dort in 4.000 Metern Tiefe mehr Sauerstoff, als durch Organismen aufgezehrt wurde.
Dabei lernt man doch schon in der Schule, dass der molekulare Sauerstoff (O2) auf der Erde durch Photosynthese entsteht, was in der lichtlosen Tiefe nicht der Fall sein kann. Andere Analysemethoden lieferten jedoch das gleiche Ergebnis, und bekannte abiotische Prozesse, bei denen in sehr geringem Maße ebenfalls Sauerstoff frei wird, schieden als Quelle für die gemessenen Mengen aus. Die Vermutung lag nahe, dass die Manganknollen selbst etwas mit dem Phänomen zu tun haben.
Die Klumpen enthalten nämlich auch verschiedenste andere Metalle und fungieren damit als natürliche Batterien. Liegen diese, quasi in Reihe geschaltet, dicht beieinander, reicht die entstehende Spannung aus, um das Meerwasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. So zumindest erklärt sich die Arbeitsgruppe ihre überraschende Entdeckung.
Wie immer lautet die Devise: Mehr Forschung ist nötig
Auszuschließen ist nicht, dass Mikroorganismen die Geobatterien getauften Knollen für ihre Energieversorgung anzapfen und somit letztlich doch biologische Prozesse für den sogenannten dunklen Sauerstoff verantwortlich sind. Die Stoffwechselwege von Bakterien sind vielfältig, verschlungen und immer für eine Überraschung gut. Wie immer lautet die Devise: Mehr Forschung ist nötig.
So oder so, für die Wissenschaft ist es eine spannende Nachricht, dass in der Tiefsee eine bislang unbekannte Sauerstoffquelle existiert und möglicherweise eine Rolle für das dortige Ökosystem spielt. Für die Bergbauunternehmen, die die Studie teilweise finanziert haben, dürfte das allerdings eher ein Ärgernis sein – als gäbe es nicht schon genug Argumente, auf den Abbau der wertvollen Knollen lieber zu verzichten. Den Tiefseebergbau verhindern wird die Entdeckung wahrscheinlich dennoch nicht. Wer den noch weitgehend unerforschten Vorgängen in der Tiefe auf den Grund gehen will, sollte sich also beeilen, solange es noch etwas zu erforschen gibt.