10.10.2024
Reiesreportage aus Marseille mit Urban Sketching und anderen Techniken

Vom Mistral gezeichnet

Nie wurde auf einer Auslandsreise der Jungle World so viel gezeichnet wie in Marseille. Die Layouterin und Illustratorin Steph hat extra für die Marseille-Ausgabe eine ganze Reihe von Texten an Ort und Stelle illustriert. Aber auch auf unseren diversen Rundgängen hielt sie die Stadt immer wieder zeichnerisch fest. Die Jungle World-Autorin Ornella ist nicht nur ein Tech-Wiz, sondern überraschte auch mit ihrem Talent, Personen blitzschnell zu karikieren. 

Ich widmete mich bereits auf der Hinreise, unbequem vornübergebeugt, während der 14stündigen Bahnfahrt meinem neuen Hobby, dem Urban Sketching. Wie günstig, dass die porträtierten Jungle World-Mitarbeiter nicht weglaufen konnten.

Am Sonntag pilgern wir geschlossen zum Strand, wie scheinbar ganz ­Marseille an diesem Spätsommertag

Am Sonntag pilgern wir geschlossen zum Strand, wie scheinbar ganz ­Marseille an diesem Spätsommertag. Immer mal wieder fliegt ein Volleyball auf unsere Plätze. Das Wasser im Meer ist angenehm warm. 

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Andreas Michalke

Eine erste Gelegenheit, die komplette Gruppe festzuhalten, bot sich zwei Tage später in der Bar »La Relève«. Im Licht der Dämmerung zeichnete ich, bis die Bar schloss. Dann zogen wir weiter in unser Appartement. Eins kam zum anderen, Max, Jojo und ich kochten noch für alle, immer wieder standen frisch gefüllte Pastisgläser vor mir, jedenfalls wurde es spät.

Am nächsten Nachmittag gingen Steph und ich dann zu einem Treffen der Urban Sketchers Marseille. Noch völlig verkatert, warf ich mich am Treffpunkt, dem Hafenturm, La Tour du roi René, erschöpft auf den Boden. Und stand Stunden später, wie alle anderen, gründlich durchgepustet vom Mistral, nüchtern und mit überraschend guten Zeichnungen wieder auf. 

Wir treffen die Urban Sketchers Marseille am Treffpunkt La tour du Roi René. Während die Gruppe sich rasch zerstreut, um sich individuelle Perspektiven zu suchen, falle ich direkt vor Ort auf den ­Boden und zeichne das komplexe Hafenpanorama. Auf der rechten Seite im Bild ist ganz weit hinten das Wahrzeichen Marseilles zu ­sehen, die Notre-Dame de la Garde.

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Andreas Michalke

Irgendwie wurde es nicht bequemer. Ich zeichnete am Strand gebückt im Sand sitzend, während der geschäftigen Redaktionssitzung und am Ende versuchte ich mich sogar am graphic recording. Bei einer Stadtführung des Soziologen Ben Kerste schrieb und zeichnete ich simultan, während wir durch Marseille spazierten. Die Arbeiten hier sind unter erschwerten Bedingungen zustande gekommen. Ich hoffe, dass das irgendwie in sie eingezeichnet ist. 

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Ornella Guyet
Ein kauziger Typ

Ein kauziger Typ. Wir sehen ihn zuerst halbnackt auf der Bühne tanzend mit The Nightwatchers im  »La Dar«. Er scheint zur Band zu gehören, aber die dulden ihn mal mehr, mal weniger amüsiert. Wie alle im Viertel. Er nennt sich selbst Khalifa, »König vom Kiez«. Wir treffen ihn überall. Ornella fängt ihn punktgenau ein. Ihm gefällt die Zeichnung nicht. 

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Ornella Guyet

Steph nutzt die Zeit, in der Max und ich bei Galette Records ­Platten kaufen, um die Vorderfront zu zeichnen.

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Stephanie Schoell

Nicht weit vom alten Hafen, in der Bar de la Relève in der Rue d’Endoume, ist am Freitagabend draußen jeder Tisch besetzt. Die Küche arbeitet auf Hoch­touren. Es gibt kleine Vorspeisen. Ein ­»Großes«, ein großes Glas Bier, kostet 7 Euro. (Von links nach rechts: Alex, Katja, Pascal, Miriam,  Steph, Yoyo, Max, Alex)

Bild:
Andreas Michalke

Während die anderen eine Stadtführung machen, bleibe ich zu Hause, um in Ruhe den Blick aus dem Fenster unseres Appartements in der Rue Bossuet zu zeichnen.

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Andreas Michalke

Redaktionssitzung in der Rue Bossuet. Hinter­her reichen Max, Steph und ich meist noch eine Kleinigkeit zum Mittagessen. 

Bild:
Andreas Michalke
Bild:
Stephanie Schoell