24.10.2024
In Köln eskalieren Bandenkämpfe um das Cannabisgeschäft

Bombengeschäfte in Köln

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) gibt der Teillegalisierung von Cannabis die Schuld an dem Bandenkrieg, der derzeit in dem Bundesland wütet. Kritiker weisen dagegen darauf hin, dass eine tatsächliche Legalisierung von Cannabis den Banden das Geschäftsfeld nehmen würde.

Bomben explodieren in Köln, Menschen werden entführt und gefoltert, die Polizei richtet eine Sonderkommission ein, fahndet, verhaftet und kann der Gewalt doch keinen Einhalt gebieten. Es geht wohl um 300 Kilogramm Cannabis im Wert von 1,5 Millionen Euro, die eine kriminelle Gruppe in Köln unterschlagen haben soll.

Der eigentliche Eigentümer ist darüber offenbar nicht besonders erfreut und versucht nun, alles zu tun, um die Drogen oder das Geld wiederzubekommen. Viele vermuten dahinter die niederländische Mocro-Mafia. In dem Bandenkrieg sehen Gegner der Cannabislegalisierung nun eine Folge der zum 1. April eingetretenen Entkriminalisierung der Alltagsdroge, die für viele seit Jahrzehnten zum Leben gehört wie Bier oder Zigaretten.

An dieser Darstellung ist nicht alles falsch, aber auch vieles nicht richtig. Tatsächlich gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Bandenkrieg, an dem Organisationen aus den Niederlanden beteiligt sind. Diese Gruppen sind gewalttätig und bedrohen Personen. Dass es sich um eine zentral gesteuerte Mafia handelt, bestreiten wiederum Experten. Cyrille Fijnaut, der an der Universität Tilburg lehrt, meint, über die sogenannte Mocro-Mafia kursierten viele falsche Vorstellungen. Sie sei keine straff geführte Organisation: »Es ist nicht so, dass die Drogenkriminalität in den Niederlanden in der Hand einiger großer Bosse ist.«

»Der legale und regulierte Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften würde helfen, den Schwarzmarkt schneller und weitergehend zu verdrängen.« Georg Wurth, Geschäftsführer des Hanfverbands

Auch wenn die Polizei sich das so wünsche, »denn dann könnte man viel einfacher dagegen vorgehen, aber so ist es eben nicht«. Europol geht davon aus, dass der Cannabishandel in der Hand zahlreicher krimineller Netzwerke sei. Einem Bericht der Behörde zufolge bestehen in Europa 821 Netzwerke. Ohnehin ist der aus den Niederlanden kommende Begriff »Mocro« irreführend. In den Niederlanden ist er ein Slangwort für Marokkaner und hat sich zu einem Synonym für organisierte Drogenkriminalität im großen Stil entwickelt. Zwar spielen dort tatsächlich Marokkaner eine wichtige Rolle im Drogenhandel, aber längst ist die organisierte Kriminalität multinational.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) stellte im Juli im WDR einen Zusammenhang zwischen dem Gang-Krieg und der Teil­legalisierung von Cannabis her. In dem Interview verwies er auf die Niederlande, seiner Ansicht nach »das Vorreiterland im Sinne von Bagatellisierung und Legalisierung von Rauschgiften«. Es gebe kaum ein anderes europäisches Land, »wo so mafiöse Strukturen im Bereich des Drogenhandels entstanden sind« wie in den Niederlanden. »Und wo es auch so gewalttätig zur Sache geht.«

»Von ›Legalisierung‹ kann keine Rede sein«

Das Cannabisgesetz sei ein großer Schritt nach vorn gewesen, sagt hingegen Georg Wurth, Geschäftsführer des Hanfverbands, der Jungle World. Es sei zwar übertrieben bürokratisch, aber was die Entkriminalisierung der Konsumenten und des Eigenanbaus angehe, sei Deutschland damit im weltweiten Vergleich recht weit vorne dabei. »Von ›Legalisierung‹ kann aber bisher gar nicht die Rede sein.« Legalisierung bedeute, dem Cannabismarkt einen legalen Rahmen zu geben, also auch wirtschaftliche Produktion und Handel zuzulassen, zum Beispiel in Fachgeschäften für Erwachsene.

Das war der ursprüngliche Plan der Bundesregierung. Der aber scheiterte an den Bestimmungen des Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe, einem völkerrechtlichen Vertrag, dem die Bundesrepublik 1961 beigetreten ist. Demnach ist die Verfügbarkeit einzelner Drogen, zu denen auch Cannabis gehört, einzuschränken. Eine Legalisierung von Cannabis könnte zudem gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen, der auf die Gründung der EWG 1957 zurückgeht, in dem unter anderem die Bekämpfung des Drogenhandels festgeschrieben ist.

Das Legalisierungsvorhaben wurde schließlich zurückgenommen zugunsten einer zweigleisigen Vorgehensweise. Zunächst wurden der Besitz gewisser Mengen, der Eigenanbau zum privaten Konsum sowie der gemeinschaftliche, nichtgewerbliche Eigenanbau erlaubt. Die gesetzliche Regulierung des flankierenden Vorhabens – der sogenannten zweite Säule – fehlt allerdings noch. Mit ihr hätte im Rahmen von Versuchen in Absprache mit der EU auch der kommerzielle Anbau und der Vertrieb im Handel ermöglicht werden sollen. Wann und ob das beschlossen wird, ist allerdings noch vollkommen offen. Ein Gesetzentwurf wurde bereits im Sommer vergangenen Jahres erwartet.

Fiktion der drogen- und rauschfreien Gesellschaft 

Zwar ist der Konsum von Cannabis in Deutschland seit dem 1. April nun ebenso legal wie der Anbau in speziellen Clubs oder auf dem heimischen Balkon. Die Vorstellung aber, dass so 948.000 Kilogramm Cannabis produziert werden könnte – so viel wird laut dem Analysedienst Whitney Economics hierzulande im Jahr konsumiert –, ist ebenso absurd, wie es das Vorhaben wäre, genug Bier mit Hobbysets in Badewannen und Kleinbrauereien herzustellen, um die Nachfrage zu befriedigen.

Es liegt auf der Hand, dass kriminelle Organisationen sofort versuchen würden, den Durst auf illegale Weise zu stillen. Wurth ist sich deshalb sicher: »Der legale und regulierte Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften würde helfen, den Schwarzmarkt schneller und weitergehend zu verdrängen, als es das bisherige Cannabis­gesetz durch Eigenanbau und Anbauvereine jetzt schon schafft.«

Um die Drogenkriminalität erfolgreich zu bekämpfen, müsste Cannabis legalisiert werden. Unternehmen würden Cannabis in industriellem Maßstab produzieren, es gäbe eine kontrollierte Qualität, legale Händler würden gutes Geld verdienen und der Staat könnte nach Einschätzung von Experten 4,7 Milliarden Euro an Steuern einnehmen.

Doch gegen eine solche Regelung, von der Unternehmen, Konsumenten und der Staat profitieren könnten und deren Hauptleidtragende wohl kriminelle Organisationen wären, sprechen internationale Regelungen. Die wiederum sind Ausdruck der Fiktion, es ­könne so etwas wie eine drogen- und rauschfreie Gesellschaft geben.