Neue Infektionsgemeinschaft
Im Oktober stimmten Teile der sächsischen Landtagsfraktion des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) für einen Antrag der AfD, einen Untersuchungsausschuss zur Pandemiepolitik der von SPD und CDU gebildeten Landesregierung einzurichten. Dieser soll mögliches Fehlverhalten von Politikern während der Covid-19-Pandemie aufarbeiten. Dank der Wagenknecht-Anhänger konnte die AfD den Antrag durchbringen, zuvor war ein eigener Antrag des BSW zu dem Thema gescheitert. In Thüringen hat das BSW erfolgreich einen solchen Untersuchungsausschuss beantragt, unterstützt von einigen CDU-Abgeordneten und der AfD.
Dass AfD und BSW, gerade wenn es um die Pandemie geht, so schnell zusammenfinden, überrascht nicht: Beide Parteien bieten sich als parlamentarischer Arm der diffusen verschwörungsgläubigen Protestbewegung an, die sich gegen die Maßnahmen zur Covid-19-Eindämmung richtete. Teile dieses Milieus dürften sich durch das BSW mittlerweile gut vertreten fühlen – immerhin entstammen einige der von Wagenknecht handverlesenen Parteimitglieder direkt aus der entsprechenden Protestbewegung.
Friedrich Pürner zum Beispiel war 2020 zunächst Leiter des Gesundheitsamts Aichach-Friedberg in Bayern, machte sich jedoch bald schon als »Maßnahmenkritiker« einen Namen. Wenn es um Covid-19 geht, kennt der jetzige Gesundheitsexperte des BSW nach eigener Aussage keine Abgrenzung nach rechtsaußen.
»Für Brandmauern und Kontaktschuld ist kein Platz. Beides ist absolut kontraproduktiv für eine Aufarbeitung und wird auch dem Wunsch der Bevölkerung nicht gerecht.« Friedrich Pürner, BSW-»Gesundheitsexperte« und -Europaabgeordneter
»Für Brandmauern und Kontaktschuld ist kein Platz. Beides ist absolut kontraproduktiv für eine Aufarbeitung und wird auch dem Wunsch der Bevölkerung nicht gerecht«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland Anfang August. Mittlerweile Europaabgeordneter des BSW, nahm Pürner im Oktober sogar an einem Treffen der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft in Jena teil, um über die »Aufarbeitung« der Coronazeit zu sprechen – gemeinsam mit AfD-Politikern. Pürner bestätigte seine Teilnahme der DPA.
Ein Beispiel für eine direkte Verbindung zwischen BSW und dem »Querdenken«-Milieu ist der BSW-Funktionär Andrej Hunko. Er war einer der neun Bundestagsabgeordneten, die im Oktober 2023 mit Wagenknecht die Linkspartei verließen, um die neue Partei zu gründen, deren Parlamentsgruppe er seither angehört. In seiner Herkunftsstadt Aachen trat der Bundestagsabgeordnete seit 2020 mehrfach als Redner bei Demonstrationen von Coronaleugnern auf.
Schon im Mai 2020 nahm Hunko, der damals stellvertretender Bundestagsfraktionsvorsitzender der Linkspartei war, Stichwortgeber der gerade erst aufkeimenden Coronaleugner-Bewegung in Schutz. So sagte er auf einer Kundgebung, Personen wie der Lungenarzt und ehemalige SPD-Politiker Wolfgang Wodarg würden »aggressiv aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt«.
Lieber »Nachdenkseiten« als »Compact«
Eine von Hunkos Mitarbeiterinnen im Wahlkreisbüro in Aachen ist Mona Aranea. Ihre politische Karriere begann bei den Grünen, 2022 ließ sich als Kandidatin für die den »Querdenkern« nahestehende Partei Die Basis bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen aufstellen. Im April 2024 meldete sie den Düsseldorfer Ostermarsch an, bei dem Wagenknecht-Anhänger und Verschwörungsgläubige gemeinsam auf die Straße gingen.
Das »Querdenken«-Milieu ist bei großen Auftritten Wagenknechts im Publikum stark vertreten, wie zum Beispiel bei der von ihr und Alice Schwarzer organisierten »Friedensdemo« am 3. Oktober in Berlin. Auch wenn es große inhaltliche Überschneidungen zwischen Coronaleugnern sowie Verschwörungsgläubigen und der AfD gibt, gibt es bei sich selbst als links empfindenden Anhängern solcher Vorstellungen wohl habituell bedingte Vorbehalte gegen die Partei.
Viele der sogenannten Querdenker lesen eher das Blog »Nachdenkseiten« als das rechtsextreme Magazin Compact, beziehen sich eher auf die wegen Plagiatsvorwürfen gekündigte ehemalige Universitätsprofessorin und Impfgegnerin Ulrike Guérot und weniger auf den völkischen Vordenker Götz Kubitschek. Auf Allround-Schwurbler wie Ken Jebsen hingegen könnte man sich wohl einigen.
Auch andere, bislang noch nicht parteipolitisch gebundene reaktionäre Protestbewegungen könnten für das BSW interessant werden: Auf der Friedensdemo am 3. Oktober waren Mitglieder der Anti-Israel-Protestszene lautstark vertreten. Aranea, die Mitarbeiterin des BSW-Politikers Hunko, sprach am Samstag auf einer antiisraelischen Demonstration, die unter dem Motto »Stoppt die Waffenlieferungen! Stoppt den Genozid!« durch Düsseldorf lief.