Ins Gespräch kommen
Es ist Mittag. Das Foyer vor der Mensa am Campus Griebnitzsee der Universität Potsdam füllt sich langsam. Student:innen, vor allem der Fächer Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften und Informatik, strömen aus den Vorlesungsräumen. Die eben beendeten Lehrveranstaltungen werden ausgewertet, man lästert über Kommiliton:innen und schmiedet Pläne für den Abend.
Zwei Personen, ein Mann und eine Frau, haben neben dem Eingang zur Mensa einen Infostand aufgebaut und werden von den meisten nicht beachtet. Gelegentlich bleibt ein Blick an ihren weißen Kapuzenpullovern hängen. Auf denen ist zu lesen: »I am from Israel – Ask me anything«.
Mit solchen Infoständen versucht der in Berlin lebende Israeli Shay Dashevsky, israelische Perspektiven auf den Konflikt zu vermitteln und so in die universitären Debatten über den Krieg zwischen Israel und der Hamas einzutreten. Gemeinsam mit einigen Mitstreiter:innen hat er dazu einen Verein gegründet: »Civil Watch against Antisemitism«.
Kurz nach Aufbau des Standes, so erzählt Anat, habe eine junge Frau »Free Palestine« gerufen und sei weggerannt. Ansonsten habe es keinen Widerspruch gegen ihre Präsenz auf dem Campus gegeben.
An diesem Tag begleiten ihn Anat und Roy. Beide stammen ebenfalls aus Israel. Roy ist erst seit kurzem in Deutschland und produziert beruflich Werbefilme. Er dokumentiert das Geschehen am Campus mit der Kamera. Doch es gibt nicht allzu viel zu dokumentieren. Die meisten Student:innen ignorieren das Gesprächsangebot. Die größte Aufmerksamkeit gilt dem Speiseplan der Mensa, der neben dem Infostand aushängt.
Ein Kameramann vom RBB, der über die Aktion berichten will und Bildmaterial sucht, freut sich, als die Jungle World das Gespräch mit den drei Israelis sucht. »Ach, ein Kollege« winkt er enttäuscht ab, als er erfährt, wen er da vor sich hat.
Das Thema Israel scheint am Campus nicht auf viel Interesse zu stoßen. Schon eine Kundgebung von Berliner Antizionist:innen im Januar gegen eine Stellungnahme der Universität Potsdam, in der sie sich mit den Opfern der Hamas solidarisierte, erfuhr unter den Student:innen kaum Resonanz.
Zwei Sicherheitsleute sind dabei
Anat versucht, auf die Studierenden zuzugehen. Fällt ihr auf, dass Student:innen länger hinschauen, winkt sie ihnen zu, ermuntert sie, näher zu kommen und sich auf ein Gespräch einzulassen. Tatsächlich kommt es so dann doch zu einigen Unterhaltungen. Die Angesprochenen äußern sich überwiegend positiv, finden die Aktion gut. Kurz nach Aufbau des Standes, so erzählt Anat, habe eine junge Frau »Free Palestine« gerufen und sei weggerannt. Ansonsten habe es keinen Widerspruch gegen ihre Präsenz auf dem Campus gegeben.
Dennoch hat der Verein vorsichtshalber zwei Sicherheitsleute bei sich. Einer der beiden, zurückhaltend, aber durchaus auffällig im Raum postiert, bestätigt, dass die Lage sehr ruhig sei. Dabei beobachtet er weiterhin aufmerksam das Geschehen. Man müsse dennoch vorsichtig sein: »Es kann immer plötzlich was passieren.« Die Universitätsleitung und die Polizei scheinen das entspannter zu sehen – Letztere ist nämlich nicht auf dem Campus.
Shay sagt, dass er ungeachtet der Berichte über antizionistische Aktionen an Berliner Hochschulen auch in der Hauptstadt viel positives Feedback bekomme. Sofort unterbricht er das Gespräch, als ein junger Mann mit arabischem Migrationshintergrund an den Strand tritt und sagt: »Das interessiert mich sehr.« Die beiden ziehen sich zu einem längeren und intensiven Gespräch zurück.
Ganze Bandbreite antiisraelischer Positionen
Währenddessen spricht ein junger Mann mit schwarzem Haar Anat an. Er trägt Sportklamotten. Von Roy fotografiert werden will er nicht. »Ich hab Kollegen, die fänden das nicht so gut«, sagt er. Nach einer Weile wird er von vier Freunden abgeholt. »Wir gehen jetzt beten, danach kommen wir wieder«, kündigt einer von ihnen an. Anat wirkt danach angespannt. Die ganze Bandbreite antiisraelischer Positionen sei geäußert worden. Trotzdem sieht sie die Begegnung positiv. Immerhin sei man ins Gespräch gekommen.
»In Deutschland kann man miteinander reden«, sagt Roy. Er meint damit nicht nur Diskussionen über den Israel-Gaza-Krieg. Aus seiner Sicht führen vergleichsweise gute soziale Lebensbedingungen und eine handlungsfähige Polizei dazu, dass auch zwischen Personen mit unterschiedlichen politischen Positionen Gespräche möglich seien.
Zwei Tage wollen Shay und seine Mitstreiter:innen in Potsdam Präsenz zeigen. Welchen Effekt diese Aktionen haben, lässt sich nicht sagen. Sie hoffen aber, durch persönliche Gespräche und Kontakte langfristig zur Aufklärung und zum Abbau von Ressentiments beizutragen.