14.11.2024
Die Redaktion in der Post-Election-Depression

Homestory #46/24

Weder Demoskopen noch ChatGPT hatten die krachende Niederlage für Kamala Harris vorausgesehen. Nun hilft nicht mal mehr Alkohol.

Falls Sie mit einem Sieg von Kamala Harris gerechnet oder einen sehr knappen Wahlausgang erwartet haben, ist es vielleicht ein kleiner Trost: Chat GPT wusste es auch nicht besser. Mehr noch, die Vorhersage der sogenannten Künstlichen Intelligenz lag völlig daneben. Weder Trump noch Harris würden gewinnen: »A name unspoken in many a tale, will rise to power, beyond the pale.«

Das klingt nicht umsonst etwas blumig, denn der bedauernswerte Chatbot hatte die Aufgabe, im Stil des Nostradamus zu prophezeien. Er traf die Reimform, blieb allerdings im Gegensatz zum Original nicht hinreichend vage. Dessen Prophezeiungen waren übrigens zwar meist recht düster, aber sie reichen bis ins Jahr 3797 – immerhin gibt es bis dahin also keinen Weltuntergang.

»Und wenn die Wirklichkeit dich überholt/Hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol.« Fehlfarben

So viel Optimismus bringen viele Menschen nicht mehr auf. Der Sieg Donald Trumps sei für viele ihrer Klient:innen »wie ein Schock« gewesen, berichtet die Verhaltenstherapeutin Maren Vogel im Spiegel. »Viele Leute haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder auch einfach nur zur Arbeit zu gehen.«

In den USA dürfte das Problem noch weiter verbreitet sein, das Magazin Forbes etwa wartet unter dem Titel »How to Deal with Post-Election Depression« mit mehr oder minder nützlichen Ratschlägen auf. »Sicher, es braucht nicht viel, um ein Land in den Totalitarismus abgleiten zu lassen«, heißt es da.

Aber man solle nicht immer das Schlimmste erwarten. »Zur Hölle, das nächste Mal, wenn Sie in den Laden gehen, könnte ein Luftschiff auf Sie fallen.« Sehr tröstlich.

Der naheliegende Rat »Besaufen Sie sich« fehlt, aber das haben wohl auch ohne medialen Zuspruch schon fast alle getan. Eine Lösung ist das allerdings nicht, denn wie bereits die Band Fehlfarben prophezeite: »Und wenn die Wirklichkeit dich überholt/Hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol.«

Reduzierung des Medienkonsums nur mit Bedacht

Natürlich mangelt es auch nicht an nüchternen Mahnungen, nun umso beharrlicher für den Erhalt der Demokratie zu kämpfen. Das ist sicher keine schlechte Idee. In der Redaktion Ihrer Lieblingszeitung ist man indes froh, nie eine Ratgeberkolumne eingeführt zu haben. Wir müssen uns nicht mit halbgaren Lösungsvorschlägen abplagen und können uns mit einer Mahnung begnügen: Wenn Sie, wie es hier und da geraten wird, über eine Reduzierung Ihres Medienkonsums nachdenken, sollte das niemals nie und unter gar keinen Umständen die Jungle World betreffen. Vielmehr sollten Sie in Erwägung ziehen, mit einem Geschenkabo einen persönlichen Beitrag zur Erleuchtung eines Mitmenschen zu leisten.

Was das neue Jahr bringen wird, mögen wir Ihnen nicht prophezeien. Nostradamus hat, wenn man dem Focus glauben darf, »einige positive Vorhersagen über technologische Durchbrüche und Fortschritte gemacht«, diese »könnten auf bedeutende Entwicklungen in Bereichen wie künstliche Intelligenz« hindeuten. Vielleicht werden dann wenigstens die Chat GPT-Prophezeiungen zuverlässiger.