Brandanschlag in Rostock
»Vielfalt tut gut« – dieses optimistische Motto hatte sich der CSD in diesem Jahr in Rostock auf die Fahnen geschrieben. Verbunden wurde das mit dem Appell an die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, dass »MV vielfältig bleibt und sich marginalisierte Gruppen weiterhin sicher und willkommen fühlen« Wenige Wochen nach dem CSD wurde diese Hoffnung durch zwei Brandanschläge auf die queere Kneipe »B Sieben« erschüttert.
Die Bar liegt mitten in der Altstadt von Rostock. In der Nacht zum 16. September wurde sie zum ersten Mal zum Ziel eines Anschlags: Ein Unbekannter warf einen Molotow-Cocktail auf ein Fenster im Innenhof, das jedoch standhielt. Der Schaden war deshalb relativ klein. Keine zwei Monate später – am frühen Morgen des 3. November – brannte es erneut, diesmal mit deutlich größerem Sachschaden. Ein dunkel gekleideter Mann, so berichteten Zeugen später, hatte einen Gegenstand durch die Scheibe geworfen. Das Feuer breitete sich im Innenraum aus, die Bewohner des Hauses mussten evakuiert werden. Den Schadenswert schätzt die Polizei auf 100.000 Euro.
Die Bedeutung der Queerfeindlichkeit in der rechtsextremen Szene habe deutlich zugenommen, sagt Franko Wegner vom CSD Rostock e.V.
Der Betreiber der Bar, Andreas Szabó, erzählt der Jungle World, er sei »geschockt« gewesen. Es habe keine Anzeichen gegeben, die so einen Gewaltausbruch befürchten ließen. Doch er wolle sich »das Zepter nicht aus der Hand nehmen lassen«, meint Szabó – das »B Sieben« solle schnellstmöglich wieder öffnen. Und zwar ohne Kameras oder Security: »Das ›B Sieben‹ wird nach der Wiedereröffnung wieder ein Safe Space sein«, so Szabó.
Die Solidarität in der Nachbarschaft sei nach den Anschlägen enorm gewesen. Sorgen bereitet Szabó aber die Zunahme queerfeindlicher Tendenzen, die durch die Präsenz der AfD in den Parlamenten noch befeuert würden. Der jüngste Höhepunkt in Mecklenburg-Vorpommern sei der CSD im nicht weit entfernten Wismar gewesen. Rund 200 Neonazis hatten sich dort versammelt und waren am Bahnhof mit Linken zusammengestoßen. Die Polizei hatte die Rechtsextremen vom CSD-Umzug ferngehalten. Szabó vermutet auch hinter den Anschlägen auf seinen Laden Rechtsextreme – doch bislang konnten noch keine Täter ermittelt werden.
Mit Bomberjacken und weißen Schnürsenkeln
Simon von »Rostock nazifrei« teilt die Ansicht von Szabó nicht ganz, dass es keine Vorzeichen für einen Anschlag gegeben hätte. Sein Bündnis beobachtet seit rund einem Jahr eine deutliche vermehrte Präsenz von Neonazis auf den Straßen, die an den eher alternativen Stadtteil Kröpeliner-Tor-Vorstadt grenzen. Insbesondere rund um den Doberaner Platz – rund einen Kilometer vom »B Sieben« entfernt – seien »rechte Jugendliche im Stil der neunziger Jahre wieder deutlich präsenter«, sagt Simon der Jungle World. Vom Doberaner Platz zögen diese Jugendliche – mit Bomberjacken und weißen Schnürsenkeln gekleidet – dann durch die Nachbarschaft. An manchen Abenden würden sich dabei bis zu 20 bis 30 junge Männer sammeln.
»Diese Jugendlichen spricht wohl eher ›Der III. Weg‹ als die Junge Alternative (JA) an«, vermutet Simon, er ordnet sie also eher der klassischen Neonazi-Szene zu. Nach seiner Wahrnehmung ist »männliches« Auftreten sehr wichtig in der Szene – deshalb sei es nicht überraschend, dass sich der Hass gegen LGBT-Personen richtet.
Trotzdem glaubt Simon, dass in Rostock viele Menschen »für Vielfalt eintreten« – nach den Anschlägen seien die Solidaritätskundgebungen mit bis zu 1.500 Teilnehmern gut besucht gewesen. Auf ein solch breite Unterstützung zählt auch Franko Wegner, Vorstandsmitglied beim CSD Rostock e. V. »Es gibt viele Initiativen in der Stadt, die für buntes Leben eintreten. Das gibt Hoffnung. Dennoch waren die Anschläge natürlich ein Schock«, sagte Wegner der Jungle World.
Veränderte Stimmung in der Stadt
Auch er nehme schon seit einer Weile eine veränderte Stimmung in der Stadt wahr. Eine Bank in Regenbogenfarben, die vor zwei Jahren aufgestellt worden ist, sei »schon diverse Male überschmiert, mit queerfeindlichen Aufklebern beklebt und sogar einmal angezündet« worden, so Wegner. Und rund um den CSD seien Regenbogenfahnen geklaut worden, die öffentlich an großen Masten hingen.
Er sieht in diesen symbolischen Angriffen die Vorboten für die Brandanschläge auf die »B Sieben«. Die Queerfeindlichkeit habe in der rechtsextremen Szene deutlich an Bedeutung gewonnen. Das habe unter anderem der versuchte Angriff auf den CSD in Wismar gezeigt.
Dafür spricht auch, dass es in diesem Jahr in zahlreichen deutschen Städten Angriffe und Störungsversuche von Rechtsextremen auf CSD-Umzüge gegeben hat – mehr als in den Jahren zuvor. Durch die Anschläge wollen sich Franko Wegner und sein Verein CSD e. V. jedoch nicht einschüchtern lassen: »Wir bleiben sichtbar und gehen definitiv nicht in die Opferrolle!« Dem kann Andreas Szabó nur beipflichten.