14.11.2024
Russland und die Ukraine reagierten zurückhaltend auf den Wahlsieg Donald Trumps

Ruhe bewahren

Russlands Regierung reagiert zurückhaltend auf Donald Trumps Wahlsieg, die ukrainische Führung gibt sich trotz des drohenden Endes der US-amerikanischen Unterstützung gelassen.

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA wurde weltweit mit Spannung erwartet. Russland stellt in dieser Hinsicht zwar keine Ausnahme dar, allerdings ließ sich Präsident Wladimir Putin bis Donnerstag voriger Woche Zeit, seinem zukünftigen Amtskollegen Donald Trump zu dessen Sieg zu gratulieren. Andere reagierten schneller, dar­unter auch Aleksandr Lukaschenko. Der belarussische Präsident wünschte dem Wahlsieger sogar, »treffsichere politische Entscheidungen zu treffen, die Amerika wieder groß werden lassen«.

Tags darauf bei einem Pressegespräch anlässlich eines Wettkampfs im Holzhacken am 7. November hielt er noch mehr Lob für Trump bereit. »Auf ihn wurde geschossen, Druck ausgeübt, sie wollten ihn einsperren und so weiter, aber er hat sich wie ein Bulldozer durchgeboxt«, sagte Lukaschenko anerkennend.

Trumps unterlegene Herausforderin Kamala Harris nannte er eine »heldenhafte Frau«, letztlich sei es ihm jedoch egal, wer im Präsidentensessel sitzt. Ihn interessiere die konkrete Politik. Wenn es Trump gelinge, den Krieg in der Ukraine zu beenden, werde die Minsker Führung ihn für den Friedensnobelpreis nominieren. Auch Deutschland werde ohne Kanzler Olaf Scholz bestimmt wieder »zur Vernunft« kommen, begrüßte Lukaschenko zudem das Zerbrechen der Ampelkoalition.

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, gab zu bedenken, dass die Präsident­schaftswahl »in einem uns nicht freundschaftlich verbundenen Land stattgefunden« habe.

In der um starke Worte normalerweise nicht verlegenen russischen Führungsriege dominierten verhaltene Reaktionen, wenn nicht gar zur Schau gestelltes Desinteresse. Putins Pressesprecher Dmitrij Peskow gab zu bedenken, die Präsidentschaftswahl habe schließlich »in einem uns nicht freundschaftlich verbundenen Land stattgefunden«; die Vorsitzende des russischen Föderationsrats, Walentina Matwijenko, meinte, die US-amerikanische Politik werde sich durch den Machtwechsel in Washington nicht grundsätzlich ändern.

Die Abendnachrichten des ersten Fernsehkanals berichteten über Trumps Wahlsieg erst in der Mitte der Sendung, den Anfang machte ein Beitrag über den Stapellauf des atombetriebenen Eisbrechers »Tschukotka«. An Russlands Vormachtstellung in der Arktis ist nicht zu rütteln, sollte wohl die Botschaft lauten. Für Harris hatte ein Kommentator nur beleidigende Worte übrig.

Den Krieg innerhalb eines Tages beenden

Trump hatte bereits vor seiner Wiederwahl für sich reklamiert, den Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, innerhalb eines Tages zu beenden. Ein Ding der Unmöglichkeit, selbst die russische Regierung wertet solche Behauptungen als Übertreibung. Dass Trump indes ein Ende der bisherigen US-amerikanischen umfänglichen militärischen und politischen Unterstützung der Ukraine einleiten wird, ist absehbar – mit weitreichenden Konsequenzen für das angegriffene Land. Auch Wolodymyr Selenskyjs politische Zukunft als ukrainischer Präsident hängt nun in hohem Maße von den Bemühungen – oder dem Scheitern – der Initiativen seines designierten US-amerikanischen Kollegen ab.

Glaubt man den Behauptungen des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, zeigte sich Selenskyj schockiert von Trumps Wahlsieg; auf einer Pressekonferenz in Budapest habe er die Reaktion des ukrainischen Präsidenten mit eigenen Augen gesehen. Begeistert war Selenskyj sicherlich nicht, zumindest jedoch hatte er schon monatelang für das Eintreten dieses Falles vorgesorgt, indem er den direkten Kontakt zu Trump gesucht und sich bereits im September mit ihm persönlich getroffen hatte. Trump bezeichnete damals sein Verhältnis zu Selenskyj als sehr gut.

Am Sonntag wartete die Zeitung The Washington Post mit einer Kurzmeldung auf, die sowohl in der Ukraine als auch in Russland Aufsehen erregte. Mit Verweis auf anonyme Quellen in »gut informierten Kreisen« hieß es, bereits am zweiten Tag nach der Wahl habe Trump von seiner Residenz in Florida aus telefonischen Kontakt mit Putin aufgenommen. Demnach habe Trump den russischen Präsidenten vor einer Eskalation in der Ukraine gewarnt und ihm gleichzeitig an die starke Präsenz von US-Truppen in Europa erinnert.

Vorgeschmack auf Trumps Führungsstil

In einer Hinsicht waren sich ukrainische und russische Stellen ausnahmsweise einig: Beide Seiten seien nicht über ein solches Telefongespräch informiert gewesen. Peskow bezeichnete die Nachricht der Washington Post gar als »reine Fiktion«. Eine offizielle Bestätigung von US-Seite, dass ein solches Gespräch tatsächlich stattgefunden hat, blieb aus.

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt bietet dieser Fall einen Vorgeschmack auf Trumps Führungsstil. Etwaige weitere Verwirrungen sind programmiert, sollte sich der Nachfolger von Joseph Biden als US-Präsident weniger auf seinen Beraterstab als auf seine eigenen Ansichten verlassen. Dmitrij Suslow, stellvertretender Leiter des Zentrums für europäische und internationale Studien an der Moskauer Higher School of Economics, hegt keine Zweifel an der Absicht Trumps, wieder das direkte Gespräch mit Putin zu suchen.

Doch betrachte Trump Diplomatie nicht als Mittel zur Verbesserung von Beziehungen, sondern als Mittel, diese zu verwalten, zitierte die Nachrichtenagentur Ria Novosti den Politologen. An der Grundkonstellation ändere dies jedoch wenig, denn zwischen Demokraten und Republikanern bestehe Konsens dar­über, dass Russland ein Gegner der USA sei.

Unfähigkeit der EU-Staaten

Dass die USA Russland allzu weit entgegenkommen, ist kaum zu erwarten, zu groß sind die Differenzen zwischen beiden Ländern, was sich für die Ukraine eher als Vorteil erweisen könnte. Mychajlo Podoljak, ein Berater in Selenskyjs Präsidialverwaltung, äußerte sich jedenfalls in einem Interview für das russische Oppositionsportal Meduza nach der US-Wahl recht gelassen. In der Öffentlichkeit diskutierte Äußerungen wie die von Trumps Wahlkampfberater Bryan Lanza, der von einer »realistischen Version für den Frieden« einschließlich möglicher Gebietsverluste für die Ukraine gesprochen hatte, hält Podoljak nicht für relevant.

Vielmehr hofft Podoljak auf Trumps Pragmatismus. Schließlich könne dieser sein Versprechen, die alte Größe der USA wiederherzustellen, nicht erfüllen, ohne in globalen Konflikten Stärke zu zeigen. Trump scheint Podoljak weitaus weniger Sorge zu bereiten als Russlands Einfluss in Europa; er wies in diesem Zusammenhang auf die Unfähigkeit der EU-Staaten hin, sich in Fragen der militärischen Sicherheit offensiver zu verhalten und untereinander abzustimmen.