21.11.2024
Einige Kandidaten für Donald Trumps Kabinett sind selbst in republikanischen Kreisen umstritten

Quartett des Grauens

Donald Trump belohnt mit den Nominierungen für sein Kabinett treue Anhänger. Darunter finden sich etablierte Politiker, aber auch vier Personen, die selbst in republikanischen Kreisen umstritten sind.

Als Donald Trump 2016 die Präsidentschaftswahl gewann, war wahrscheinlich kaum jemand überraschter als er selbst. Ein Team zur Vorbereitung der Amtsübernahme wurde erst am Wahlabend zusammengestellt und dementsprechend zusammengestoppelt wirkte auch die Mischung aus Plutokraten und republikanischen Hinterbänklern, die das Trump’sche Kabinett bildeten. Auffällig war allein die hohe Anzahl von ehemaligen Generälen unter den Ministern, die der Regierung ein martialischeres Antlitz verleihen sollten – doch wie sich herausstellte, waren es just die Vertreter des Militärs, die intern am hartnäckigsten vor innen- wie außenpolitischen Abenteuern warnten.

Man habe sich, zogen Trump und seine Parteigänger den Schluss, während dessen Amtszeit von Institutionen wie dem Militär, den Geheimdiensten und der Ministerialbürokratie ausbremsen lassen. Damit sich dergleichen nicht wiederhole, gründeten zahlreiche enge Weggefährten das »Project 2025« und verfassten das 900seitige Dokument »Mandate for Leadership«, das während des Wahlkampfs für Aufsehen sorgte. Neben politischen Vor­haben, die so unpopulär waren, dass Trump sich öffentlich distanzieren musste, enthält es einen detaillierten Plan zur »Säuberung« des Staatsapparats von einigen Zehntausend Regierungsangestellten, die als nicht linientreu genug gelten.

Trump handelt noch immer so impulsgesteuert wie eh und je. Beruhigend ist das nicht.

Trumps Benennung seiner Kandidaten – alle Kabinettsnominierungen müssen noch vom Senat bestätigt werden – wurde darum besondere Aufmerksamkeit geschenkt: Welches Personal hatten die Strategen auserkoren, um das »Project 2025« in die Tat umzusetzen? Die ersten Namen erweckten nicht gerade den Eindruck, dass man es mit einem Maga-Marsch durch die Institutionen zu tun hat, diese hätten vielmehr von jedem anderen Republikaner auch genannt werden können: Gouverneure und Abgeordnete der eigenen Partei, die für ihre Treue belohnt wurden.

Floridas Senator Marco Rubio, der der exilkubanischen Community entstammt und als »Falke« gilt, soll als Außenminister Kuba und Venezuela das Leben noch ein wenig ungemütlicher machen. Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota, ist fürs Department of Homeland Security (Ministerium für Heimatschutz) vorgesehen.

Mike Huckabee, Pete Hegseth und Matt Gaetz

Bekannt geworden ist sie vor allem durch eine Passage in ihren Memoiren, in der sie prahlt, einen erziehungsresistenten Welpen eigenhändig erschossen zu haben; wer derart kaltblütig mit kleinen Hündchen verfährt, so wohl der Gedankengang, werde auch mit Terroristen nicht eben zimperlich umspringen. Botschafter in Israel soll Mike Huckabee werden, ein evangelikaler Fundamentalist.

Dann aber ging es Schlag auf Schlag. Als Verteidigungsminister nominierte Trump den Fox-News-Moderator Pete Hegseth. Was ihn dazu qualifiziert, die größte Regierungsbehörde der Welt zu leiten, beschränkt sich darauf, dass er in der Nationalgarde gedient hat, stolz seine Tätowierung »Deus vult« (»Gott will es«, der päpstliche Segen für die mittelalterlichen Kreuzzüge, der sich heute bei Christofaschisten großer Beliebtheit erfreut) zur Schau trägt und während Trumps erster Amtszeit erfolgreich für die Begnadigung von Soldaten warb, die wegen der Erschießung unbewaffneter Zivilisten und anderer Kriegsverbrechen verurteilt worden waren.

Als neuer Generalstaatsanwalt soll Matt Gaetz dienen. Der Abgeordnete nutzte die Gelegenheit, um mit sofortiger Wirkung sein Mandat zurückzugeben – und damit der Ethikkommission des Repräsentantenhauses, deren Untersuchungsbericht über Gaetz eigentlich am Freitag vo­riger Woche hätte veröffentlicht werden sollen, in letzter Minute die Jurisdiktion über seine Person zu entziehen. Dass Gaetz’ Fraktion trotz ihrer hauchdünnen Mehrheit bereit ist, einen der ihren ans Messer zu liefern (die Vorwürfe beinhalten unter anderem auf Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen und Justizbehinderung), sagt viel.

Zwei demokratische Überläufer

Gaetz hat es als Anführer einer kleinen Gruppe fanatischer Maga-Anhänger perfekt verstanden, öffentlichkeitswirksam gegen vorgebliche Verräter in den eigenen Reihen mobil zu machen, und dabei unter anderem den ranghöchsten Republikaner im Repräsentantenhaus, Sprecher Kevin McCarthy, zu Fall gebracht. Dafür belohnt ihn nun Trump mit der Aussicht, den Verfolgungs­apparat des Staats auf die von ihm im Wahlkampf ausgemachten »Feinde im Inneren« loszulassen.

Das Quartett des Grauens vervollständigen zwei Überläufer. Tulsi Gabbard, von 2013 bis 2021 Abgeordnete des Repräsentantenhauses aus Hawaii und 2020 Bewerberin für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, soll die Koordination der US-Geheimdienste übernehmen. Gabbard galt einst als Galionsfigur des linken Flügels, vor allem aufgrund ­ihrer Kritik US-amerikanischer Militäreinsätze.

Gegen Kriege hat sie freilich nur etwas einzuwenden, wenn der Westen sie führt: 2017 traf sie sich mit dem syrischen Diktator Bashar al-Assad und leugnete dessen Einsatz von Giftgas. Die Bombardierung Aleppos feierte sie als Antiterroraktion, und auch für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigte sie Verständnis. Bei den Demokraten ohne Zukunft, trat sie 2022 aus der Partei aus und begann, für Trump zu werben. Mit Gabbard an der Spitze dürfte die geheimdienstliche Koope­ration mit befreundeten Staaten um einiges schwieriger werden; beim Mossad oder beim MI6 wird man über das Risiko, dass jede Information umgehend im Kreml landen könnte, nicht eben begeistert sein.

Impfgegner und Verschwörungstheoretiker Robert F. Kennedy Jr.

Als Gesundheitsminister vorgesehen ist Robert F. Kennedy Jr., hauptberuflich Neffe John F. Kennedys und nebenher zunächst als Umweltanwalt, nun als Impfgegner und Verschwörungstheoretiker tätig. Er trat 2024 bei den Vorwahlen der Demokraten als Herausforderer Joe Bidens an, verkündete anschließend eine unabhängige Präsidentschaftskandidatur und unterstützte schließlich Trump. Dafür will dieser ihm die Gelegenheit verschaffen, sich an der Gesundheit der US-Amerikaner »auszutoben« (to go wild).

Kennedy hat bereits mitgeteilt, bei der Erforschung ansteckender Krankheit ein achtjähriges Moratorium durchsetzen zu wollen; der Zusatz von Fluor zum Trinkwasser erzeugt ihm zufolge nicht gesündere Zähne, sondern Verwirrungen in der Geschlechtsidentität. Wer sich ein Bild von der zukünftigen US-amerikanischen Gesundheitspolitik machen will, kann einen Blick nach Samoa werfen: Dort begünstigte eine von Kennedy unterstützte Antiimpfkampagne 2019 eine Masernepidemie, der 83 Menschen zum Opfer fielen.

Auch für seinen wichtigsten Unterstützer hat Trump einen Posten in petto. Elon Musk, dessen Stiftung quasi Trumps Wahlkampf führte, kann zwar kein offizielles Regierungsamt übernehmen, ohne auf seine Firmenbeteiligungen zu verzichten; dafür ist er in Trumps Anwesen Mar-a-Lago als, wie er sich selbst bezeichnet, First Buddy (Chefkumpel) dabei und mit in der Leitung, wenn Trump mit ausländischen Regierungschefs telefoniert.

Eigens für ihn eingerichtet wird ein nebulöses »Amt für Regierungseffizienz« (Department of Government Efficiency, kurz »Doge« – auch der Name einer von Musk geförderten Kryptowährung), das zwar keine Entscheidungsbefugnisse hat, aber in der Frage beraten soll, wie der US-Haushalt um ein Drittel geschrumpft werden kann.

Für autoritäre Herrschaft typische Pa­rallelinstitutionen

Das, so Musk, werde zwar für »vorübergehende Härten« sorgen, gewiss aber nur für Rentner und Bedürftige, nicht für seinen komplett von Staatsknete abhängigen Konzern SpaceX und dessen Subunternehmen Starlink. Wer zuletzt lacht, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Möglich, dass das »Amt für Regierungseffizienz« zu einer jener für autoritäre Herrschaft typischen Pa­rallelinstitutionen wird; möglich auch, dass es vor allem dazu dient, einen allzu aufdringlichen Konkurrenten abzuschieben. Dass Musk sich die Leitung mit einem weiteren Tech-Unternehmer, Vivek Ramas­wamy, teilen soll – nichts ist bekanntlich effizienter als eine Behörde mit zwei Direktoren –, deutet auf Letzteres.

Selbstbewusster als 2016 ist Trumps Auswahl also allemal. Aber auch strategisch kohärenter? Da sind Zweifel angebracht. Rubio, der interventionsfreudige Neokonservative, passt ideologisch kaum zu einer Isolationistin wie Gabbard. Und die Kapitalvertreter, die sich über die geplante Deregulierungsoffensive freuen, stören sich an einem wie Kennedy, der in seinem paranoiden Reinheitswahn dem Agro- und Pharmabusiness den Kampf ansagt. Auch machtpolitisch ergeben manche der Namen nur wenig Sinn: Weder Querfrontaktivisten noch Fox-News-Moderatoren sind die Art Machtbasis, die man mit Pfründen bei der Stange halten muss.

Autoritäre Herrschaft braucht keine genialen Bösewichter, die sie von langer Hand planen. Sie ist schlichtweg die bequemste Art, Komplexität zu reduzieren.

Einige Beobachter mutmaßen, Skandalnudeln wie Gaetz seien nur nominiert worden, um vom Senat abgelehnt zu werden – die Personen, die man ­eigentlich im Auge habe, könnten dann als Kompromisskandidaten verkauft werden. Aber sie überschätzen sowohl Trumps machiavellistisches Kalkül als auch, wichtiger noch, die Prin­zipientreue republikanischer Senatoren. ­Gaetz’ Nominierung, berichteten In­sider, sei am Tag vorher ausbaldowert worden, als Trump sich von den langatmigen Vorträgen der anderen Bewerber gelangweilt fühlte.

Auch mit 900 Seiten »Mandate for Leadership« ausgestattet, handelt Trump noch immer so impulsgesteuert wie eh und je. Beruhigend ist das nicht. Gegner Trumps meinen gerne, dessen Ignoranz bewahre das Gemeinwesen vor dem Schlimmsten; richtig gefährlich werde es erst, wenn ein kompetenter Demagoge an seine Stelle trete. Aber autoritäre Herrschaft braucht keine genialen Bösewichter, die sie von langer Hand planen. Sie ist schlichtweg die bequemste Art, Komplexität zu reduzieren: Nichts ist einfacher zu verstehen als das Prinzip von Befehl und Gehorsam.