28.11.2024
Bei Rot über die Ampel

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Bei Rot über die Ampel

Am Donnerstagabend fahre ich wie immer zur Villa Neukölln, um dort Platten aufzulegen. Vorn auf meinem Gepäckträger ist meine Plattenkiste festgeschnallt. An der Ampel am Columbiadamm warte ich, um die Straße zu überqueren. Es wird grün. Ich will losfahren, aber eine Frau mit einem riesigen Lastenfahrrad blockiert den Fußgängerüberweg. Bis sie an mir vorbeigezogen ist, ist die Ampel wieder rot. Ich will schnell noch rüber, da biegt ein Mietwagen der Firma Bolt nach rechts ab und hupt mich an.

Ich fahre auf dem Radweg weiter, das Bolt-Auto zieht an mir vorbei, dahinter ein Polizeiwagen. Auweia. Der Polizeiwagen fährt kurz mit dem Bolt-Wagen gleichauf, sie wechseln ein paar Worte. Dann winkt mich einer der Polizisten an die Seite und blockiert danach mit dem Polizeiwagen den Fahrradweg (damit ich nicht flüchten kann?). Sie steigen aus.

Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände: Ampelphase zu kurz, Lastenfahrerin zu langsam, Bolt-Fahrer zu forsch und die Polizei sieht auch noch dabei zu. Sie ist auf der Seite der ­Autofahrer. Ich kann nicht gewinnen.

»Sie haben gerade die Ampel bei Rot überquert«, sagt der eine Polizist. Der andere steht schweigend daneben. »Ich konnte ja nicht bei Grün fahren. Die Frau mit dem Lastenfahrrad hat die ganze Grünphase über den Fußgängerweg blockiert. Ich wollte nur schnell noch durchhuschen«, antworte ich. »Wir konnten das ja sehr genau sehen. Sie haben durch Ihr Verhalten den Verkehr gefährdet. Der Bolt-Fahrer wäre fast auf Sie aufgefahren.«

»Das sehe ich anders«, verteidige ich mich. »Der hat doch eher mich gefährdet, wie der da angerauscht kam. Das war doch nur eine Sekunde, in der ich die Straße überquert habe.« »Sie haben bei Rot die Straße überquert, da können sie es dem Bolt-Fahrer nicht übel nehmen, wenn der Sie anfährt. Das kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Das wird sehr teuer für Sie. Das ist eine Ordnungswidrigkeit. Sie sind ja überhaupt nicht einsichtig.« »Oh, nee! Das ist so ärgerlich. Ich fahre seit fast 30 Jahren hier und immer unfallfrei. Weil ich immer langsam fahre.«

Ich bin etwas aufgebracht. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände: Ampelphase zu kurz, Lastenfahrerin zu langsam, Bolt-Fahrer zu forsch und die Polizei sieht auch noch dabei zu. Sie ist auf der Seite der ­Autofahrer. Ich kann nicht gewinnen. Es ist ungerecht. Aber ich fange an zu verstehen. Uneinsichtig war der Schlüsselbegriff.

»Ich belehre Sie jetzt«

»Ich hätte wahrscheinlich an der Ampel warten müssen«, sage ich, während ich in meiner Umhänge­tasche mein Portemonnaie suche. Als ich es schon in der Hand habe, antwortet der Polizist: »Ich belehre Sie jetzt: Sie haben bei Rot die Straße überquert und den Verkehr gefährdet. Bitte fahren Sie in Zukunft vorsichtiger.«

Damit ist die Sache erledigt. Ich bedanke mich. Sie fahren weg. Glück gehabt.