Die Trobairitz
Die avantgardistische und unzeitgemäße Folk-Musikerin Dorothy Carter (1935–2003) hat sich zeitlebens den historischen, vormodernen Saiteninstrumenten zugewandt: dem Psalterium und weiteren Varianten der Zither, dem hurdy-gurdy (Drehleier) und der keltischen Harfe, insbesondere aber ihrem mit atemberaubender Virtuosität gespielten hammered dulcimer (verwandt mit dem im Alpenraum verbreiteten Hackbrett).
Auf ihrem Debütalbum »Troubadour« von 1976 spielte die US-Amerikanerin neben ein paar eigenen Kompositionen vor allem überlieferte Folk-Stücke – von sakralen Weisen aus dem mittelalterlichen Frankreich bis zu Volksliedern aus den Appalachen. Jedoch klingt ihre Musik nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern gänzlich psychedelisch entrückt mit ihren rasanten Anschlägen bei gleichzeitig kontemplativem Wohlklang. Hinzu kommen der raue, schwebende, bisweilen sogar schrille Gesang und der gelegentliche Flöteneinsätze.
Die nomadisch lebende Dorothy Carter hat sich später noch stärker der mittelalterlichen Musik verschrieben und 1996 in London mit Katherine Blake (von der Gothic-Band Miranda Sex Garden) das recht erfolgreiche Frauen-Vokalensemble Mediæval Bæbes gegründet
Die unabhängige US-Plattenfirma Drag City, die seit den Neunzigern einen großen Anteil am Revival des Indie-Folk besitzt, hat Carters Erstling nun wiederveröffentlicht. Ihre zweite LP »Waillee Waillee« von 1978, auf der sie sich stärker ihrem eigenen Songwriting sowie Drone-Elementen widmet, war bereits vor einem Jahr auf dem Mini-Label Palto Flats neu aufgelegt worden.
Weitere Soloalben gibt es leider nicht. Ein Einfluss Carters auf experimentierfreudige Psychfolk-Größen wie Joanna Newsom oder Devendra Banhart wäre naheliegend. Die nomadisch lebende Trobairitz – weibliche Form von Troubadour! – hat sich später noch stärker der mittelalterlichen Musik verschrieben und 1996 in London mit Katherine Blake (von der Gothic-Band Miranda Sex Garden) das recht erfolgreiche Frauen-Vokalensemble Mediæval Bæbes gegründet, mit dem Carter bis zu ihrem Tod vier Alben aufnahm.
Dorothy Carter: Troubadour (Drag City)