»Ich hatte viele Mütter«
Ingelore Prochnow steht nicht gern im Rampenlicht. Nur nicht auffallen war lange die Devise der eher kleinen Frau mit kurzen graumelierten Haaren. »Schon als kleines Mädchen war ich artig und folgsam – ein stilles Kind. Bis heute fällt es mir schwer, in der Öffentlichkeit zu stehen«, sagt die nunmehr 80jährige. Dennoch hat sie sich bereit erklärt, am 7. Dezember zur Eröffnung der Wanderausstellung »Trotzdem da« zu sprechen. »Nicht viel länger als fünf Minuten wird meine Rede sein. Lucy Debus hat mich gebeten, den Part zu übernehmen. Also habe ich zugesagt«, erklärt sie mit fester Stimme.
Aufgeschoben hatte Ingelore Prochnow die Suche nach der eigenen Herkunft, weil sie damals nicht den Mut aufbrachte, ihre eigene Akte einzusehen und den Adoptiveltern Fragen zu stellen.
Debus ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Gedenkstätte Lager Sandbostel, dort ist das Forschungsprojekt »Trotzdem da« angesiedelt. Es will Aufmerksamkeit auf die Schicksale von Kindern aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen, Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter:innen lenken. In einer Wanderausstellung wird auf diese weitgehend unbekannte Facette der Geschichte der NS-Verbrechen aufmerksam gemacht – auf den letzten Drücker, denn diese Kinder sind so wie Prochnow um die 80 Jahre alt und alles andere als zahlreich. 18 Teilnehmer:innen hat das Forschungsprojekt in den vergangenen 24 Monaten aufgespürt, interviewt und ihre Biographien en detail in Bild und Ton festgehalten. Darunter auch die von Ingelore Prochnow, die am 5. April 1944 als Ingelore Rohde im KZ Ravensbrück auf die Welt kam: als Kind einer verbotenen Beziehung zwischen Renate Rohde und dem polnischen Maurer Jan Gawroński.
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