20 Jahre Hartz IV: Wettbewerb der Grausamkeiten
Am 23. Februar soll ein neuer Bundestag gewählt werden, und es scheint vor allem eine Frage zu sein, die den Wahlkampf bestimmt: Wem gelingt unter der Maxime der Haushaltskonsolidierung der stärkste Abbau der sozialen Sicherungssysteme? Es ist ein regelrechter Wettbewerb der sozialen Grausamkeiten, den sich die Parteien liefern.
Die Union will das Bürgergeld gleich gänzlich abschaffen und durch eine »neue Grundsicherung« ersetzen. Zentrales Element ist demnach die »Eigenverantwortung«, die nicht nur ohnehin erwartet wird, sondern gleich im Gesetzestext verankert werden soll. Bei arbeitsfähigen Grundsicherungsbezieher:innen, die »ohne sachlichen Grund« eine zumutbare Arbeit ablehnen, müsse davon ausgegangen werden, dass sie nicht »bedürftig« sind. Und auch wer mehr als einmal zu Terminen nicht erscheint, zeige damit, dass er die Leistungen nicht brauche, und soll nach dem Willen der Union gar keine mehr erhalten. Schärfere Sanktionen fordern die Konservativen schon lange. Jens Spahn befürwortete Anfang des Jahres gar eine Verfassungsänderung, falls »eine generelle Streichung« des Bürgergelds »durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt ist«.
Die Arbeit ist nicht nur zeitlich entgrenzt, sondern der Alltag auch vielfach geprägt von der permanenten Sorge um die Existenzsicherung.
Zurückgegriffen wird dabei immer wieder auf den Mythos, es würde sich aufgrund des angeblich üppigen Bürgergelds gar nicht mehr lohnen zu arbeiten. So entdeckt Christian Lindner (FDP), wenn es um die Diffamierung Erwerbsloser geht, plötzlich sein Faible für soziale Gerechtigkeit. Die Kassiererin im Supermarkt dürfe »niemals den Eindruck gewinnen, dass sie arbeitet und andere das Gleiche oder sogar mehr erhalten, wenn sie nicht arbeiten«, so der ehemalige Finanzminister.
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