16.01.2025
In Freiburg wurde an das vor 40 Jahren abgebrannte Autonome Zentrum erinnert

Ohne Dach und ohne Gesetz

Eine Vernissage erinnerte vergangene Woche an das Autonome Zentrum in Freiburg, das 1985 aus nie geklärter Ursache abbrannte. Ein paar Jahre lang war es in der Stadt der wichtigste Ort für Punk und Politik.

Das vor 40 Jahren abgebrannte Autonome Zentrum (AZ) in Freiburg ist in einem Linolschnitt des Künstlers ­Florian Haas wiederauferstanden. Es handelt sich um eine zwei Meter hohe und 11,52 Meter lange Collage von Bildern, kombiniert mit dem, was auf den Wänden des AZ zu finden war, voller wuchtiger Bilder und Sprüche.

Man fragt sich, ob es je eine Punkband gab – ob bekannt wie ein bunter Hund oder so unbekannt geblieben wie ein Lagerfeuer auf der Rückseite des Mondes –, die ihren Namen nicht auf den Wänden des Autonomen Zen­trums (AZ) in Freiburg wiedergefunden hätte. Da sind die UK Subs, Peter and the Test Tube Babies, Fozz Boys, GBH, Angry Samoans, ­Kakerlaken, Millions of Dead Cops, Total Oral …  Im Hintergrund des Drucks drängen sich Massen von langhaarigen Demons­trant:in­nen an den Punksprüchen vorbei, auch ­behelmte Ordnungshüter dürfen nicht fehlen. Aus­gerechnet vom Schriftzug »Anti-Nato-Woche« wird eine Cruise Missile abgeschossen.

Drei Jahre lang wurde die Besetzung des AZ geduldet. Von Demonstrationen mit bis zu 20.000 Menschen und wochenlang zugemauerten Schaufensterfronten hatte man vorerst genug.

Daneben gibt es Motive, die so gar nicht ins Geschehen passen, wie der ehemalige Bundespräsident Karl Carstens mit Hund und der drachentötende Sankt Georg, der das Freiburger Schwabentor ziert. Es sind Anspielungen auf Lebensstationen von Florian Haas’ Künstlerfreund Uwe. Mit seinem »Historienbild« wollte Haas das »künstlerische Strandgut« seines verstorbenen Freundes wieder einsammeln, schreibt er im Katalog. Von Uwe stammen auch die Fische, die durch das chaotische Bildensemble schwimmen. Sie »schauen aus ihrem Aquarium nun grimmig auf mich herab«, sagt Haas dazu.

Uwe hat den Freiburger Häuserkampf von Anfang an mitgemacht, über die berühmten Stationen »Dreisam­eck«, »Schwarzwaldhof« und schließlich AZ. Ein Leben voller Freiheitsdurst bei knappster Kasse und häufig ohne gesicherten Schlafplatz. »Sans toit ni loi« (ohne Dach und ohne Gesetz) hat Haas das Bild genannt. Der Titel ist ­geborgt von einem Filmdrama von ­Agnès Varda, der von einer jungen Landstreicherin handelt und 1985/1986 in die Kinos kam. Auf Deutsch lief der Film unter dem teilweise treffenden Titel »Vogelfrei«.

Mehr grau als punkig

40 Jahren später war das Publikum, das am Freitag vergangener Woche zur Vernissage erschienen ist, indessen mehr grau als punkig. Einige schwärmten vom AZ als ihrem damaligen Zuhause. Der ehemalige Stadtrat und frühere AZ-Besetzer Atai Keller hielt spontan eine Rede, in der er betonte, dass die Freiburger Kulturszene mit dem Theater im Marienbad, dem Jazzhaus, Cräsh und so weiter doch eigentlich aus dem AZ komme. Allerdings habe man damals mit dem Lärm die Nachbarn aus dem Eckhaus leider ­vertrieben. Auch an Hygieneprobleme wollten sich einige erinnern. Toiletten gab es, aber vor dem AZ ging es schneller. Unerwähnt blieb ein anderes Dauerproblem der letzten AZ-Zeit, das beschränkte Verständnis vieler männlicher Punks für belästigte Frauen: »Äh, stellt euch doch nicht so an … «

Der Punk war natürlich das in jeder Hinsicht schrillste Element im AZ. Dass er Haas’ Bild und vor allem den Katalog dazu so dominiert, liegt aber auch daran, dass jemand die einzige AZ-­Publikation, den »Kossack«, ins Internet gestellt hat. Allerdings nicht so, wie er im Januar 1985 gedruckt wurde, sondern zum Punk-Fanzine mutiert.

Musik und Durst

Drei Jahre hat die Stadt die Besetzung des leerstehenden Universitätsgebäudes geduldet. Nach den Unruhen wegen der Ende der Siebziger besetzten und Anfang der Achtziger geräumten Gebäude des sogenannten Dreisamecks und später des »Schwarzwaldhofs« wollte man die Szene erst einmal wieder zur Ruhe kommen lassen. Demonstrationen mit bis zu 20.000 Menschen und wegen nächtlicher Steinschlaggefahr wochenlang zugemauerte Schaufensterfronten in der Innenstadt – davon hatte man in der Stadt vorerst genug. Doch dann sollte das AZ schließlich doch geräumt worden. Das erübrigte sich aber, weil in der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1985 aus ungeklärter Ursache ein Feuer ausbrach.

Ein halbes Dutzend Punks hatte vorher insgeheim mit der Stadt verhandelt. Ihnen wurde ein Lokal überlassen, das ab da unter dem Namen »Cräsh« firmierte, mit der Auflage, keine politischen Veranstaltungen zu machen. ­Andere versuchten es mit der Besetzung eines anderen Gebäudes, was erfolglos in einer Straßenschlacht mit der Polizei endete. Indessen fanden einige heraus, dass beim alten AZ eigentlich nur die oberen Stockwerke unbenutzbar waren, und so lief eine Art Schmalspurbetrieb in dem verkohlten Gebäude noch kurze Zeit weiter. Wenn nur die Musik stimmte und der Durst zu löschen war, waren andere Dinge zweitrangig.