23.01.2025
Ende einer Kreuzberger Institution: Die Schlemmeretage am Hermannplatz muss schließen

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Das Karstadt-Restaurant

Als Julia und ich von der bevorstehenden Schließung des Karstadt-Restaurants am Hermannplatz erfuhren, verabredeten wir mit einem befreundeten Urban-Sketcher-Pärchen, uns dort am Samstag zu treffen.

Wie zu erwarten war, hatten viele Leute von der Schließung gehört und kamen ein letztes Mal, um sich von dieser Berliner ­Institution zu verabschieden. Familien mit Kindern, junge Leute und natürlich auch die Rentnerinnen und Rentner, deren Lieblingstreffpunkt über Jahrzehnte das Karstadt-Restaurant war. Es war so voll wie wahrscheinlich seit Jahren nicht.

Wir vermissen Dinge erst wirklich, wenn sie weg sind. Als wir nun hier oben im Restaurant sitzen und zeichnen, mit Blick über die halbe Stadt, fragen wir uns sofort: Warum waren wir eigentlich nicht öfter hier?

Karstadt am Hermannplatz befindet sich seit Jahren im Niedergang

Es war nie was los. Das Restaurant schien verwaist. Karstadt am Hermannplatz befindet sich seit Jahren im Niedergang. Zuletzt ist in den ehemaligen Parfümeriebereich ein Lidl eingezogen. Ich selbst kaufe oft bei Karstadt. Unterhosen, Gemüsebürsten, Kaffeemaschinen, Messer, Mülleimer, Portemonnaies, Handschuhe, Schals, Pinsel, Papier. So viel ist klar: Wenn das Haus irgendwann tatsächlich schließt, wird es den ganzen Hermannplatz, der sowieso schon in einem jämmerlichen Zustand ist, endgültig mit sich in den Abgrund ziehen.

Diesmal ist nicht der Kapitalismus schuld. Wir sind selbst schuld. Konsum ist leider noch überhaupt nicht aus der Mode gekommen, nur Warenhäuser sind es. Für manche der gesamte Einzelhandel. Wir sind bequem, bestellen lieber. Stehen, statt umringt von Waren im Laden, umringt von Paketen im Späti.

Wie bequem wollen wir noch werden? Homeoffice, Lieferdienste statt Supermarkt und die T-Shirts werden auch nur noch bestellt. Bis wir gar nicht mehr rausgehen. Für soziale Kontakte gibt es Instagram und Co. Falls man doch mal jemanden kennenlernen will, gibt es Tinder. Aber eigentlich bleiben wir drinnen, führen ein trauriges Leben zwischen Holodeck und Otto-Versand.

»Boahh, krass! Ein begehbares Internet. Ein analoges Amazon. Aber mit Rooftop-Bar!«

So eine Welt möchte ich nicht. Als Selbständiger, der schon im Home­office saß, bevor es überhaupt ein Wort dafür gab, brauche ich meine Wege zum Supermarkt und eben auch ab und an zu Karstadt. Wir sollten alle wieder mehr in Geschäften einkaufen. Denn wenn es die nicht mehr gibt, kommt lange erst mal gar nichts. Und sehr viel später muss die gleiche Sache dann wieder mühsam neu erfunden werden. Nur in einem etwas anderen Style.

In der fernen Zukunft, wenn wir alle langsam der digitalen Entfremdung überdrüssig werden und das Analoge wieder der heiße Scheiß ist, wenn die direkte Begegnung zum hippen Movement wird, kommt vielleicht so ein cooles Start-up beim Brainstorming auf eine Idee: »Ey, lass mal ein Haus machen, wo man alles kaufen kann.«

»Wie, alles?«

»Na, Unterhosen, Kühlschrank, Bohrmaschine, Hundefutter … einfach alles. Und du musst da hingehen und die Sachen direkt dort kaufen und sie dann selbst nach Hause tragen.«

»Boahh, krass! Ein begehbares Internet. Ein analoges Amazon. Aber mit Rooftop-Bar! Mega Idee! Die Leute werden ausflippen!«