23.01.2025
Der Versuch des Magazins »Katapult«, AfD-Wähler aufzuklären, ist mehr als zweifelhaft

Hilfloser Aktionismus

Der Kampf gegen die AfD ist häufig von Empörung geprägt. Die ersetzt allerdings weder Analyse noch Kritik. Eine Aktion des Magazins »Katapult« zeigt das deutlich.

Haben Sie schon gehört? Die AfD ist eine in Teilen rechtsextreme Partei. Ranghohe Politiker wie der Vorsitzende der Thüringer Fraktion, Björn Höcke, sagen sogar Dinge wie: »Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.« Nein! – Doch! – Oh!

Angeblich gibt es aber noch immer einige Menschen, denen das in den vergangenen zwölf Jahren entgangen ist. »Unsere Demokratie hat offensichtlich was Braunes am Schuh, aber manche Leute sehen das nicht«, behauptete das Katapult-Magazin und wollte deshalb kurz vor der Bundestagswahl 544.000 mal das, wie man es dort nennt, »echte AfD-Wahlprogramm« drucken: eine Sammlung von 40 menschenfeindlichen Zitaten von AfD-Politikern, die den Heften der Katapult-Ausgabe zum Thema Bundestagswahl beiliegen sollte, damit die Leserschaft sie möglichst breit verteilen kann.

»AfD Schande für Deutschland«

Bei Katapult schien man sich sicher: Diese Aktion kann Deutschland noch vor dem Schlimmsten bewahren. »Die Zitatsammlung muss alle erreichen, die wählen dürfen. Und alle anderen auch. Im Februar ist Bundestagswahl.« Mit den Zitaten verrate sich die AfD selbst, deshalb blieben sie unkommentiert. »Niemand kann später sagen, er hätte von nichts gewusst.« Selbst AfD-Parteizentralen sollten mit der Zitatsammlung zugekleistert werden – als wüssten die Leute dort nicht, was sie selbst gesagt haben.

Allerdings hat das Magazin bei der Zusammenstellung nicht besonders sauber gearbeitet. Einige der Zitate stammen von nicht mehr aktiven AfD-Mitgliedern. Die Zuschreibung zur Partei musste deshalb in einigen Fällen zurückgenommen werden. Stattdessen standen im neuen »echten AfD-Wahlprogramm« Personendetails wie »Ex-AfD-Mitarbeiter«, »ausgetreten« oder »ausgeschlossen«; was nicht heißt, dass es deshalb keine Rechtsextremen mehr in der Partei gibt – ganz im Gegenteil.

Die AfD ist nicht nur eine in Teilen rechtsextreme, sondern auch eine neoliberale Partei, der die Arbeitnehmer am Arsch vorbei gehen und die Politik allen voran für Unternehmen macht. 

Derzeitigen Umfragen zufolge kann die AfD bei der Bundestagswahl am 23. Februar mit etwa 20 Prozent der Stimmen rechnen; folgt man der Logik von Katapult, kann man einem großen Teil der Leute nicht zutrauen zu wissen, wem sie da ihre Stimme geben. Deshalb brauche es – fünf vor zwölf – die paternalistische Intervention, um den Wählern klarzumachen: »Die AfD ist eine Schande für Deutschland.« Dass nicht allein die Partei, sondern auch deren Wähler das Problem sind, darauf scheint das Magazin nicht zu kommen. Denn Wähler entscheiden sich für die AfD, nicht weil sie schlecht informiert sind, sondern gerade weil aus der Partei das zu vernehmen ist, was sie hören wollen.

Wenn man schon versucht, AfD-Wähler umzustimmen, helfen wohl kaum Zitate, denen die Wähler zum größten Teil zustimmen dürften. Sinnvoller wäre es, sich die Mühe zu machen, die nicht gerade wenigen Widersprüche der Partei aufzuzeigen.

Bei vergangenen Wahlen hat sich die AfD als eine Art Arbeiterpartei etabliert. Doch in puncto Lohnsteigerung, Einsatz für mehr Tarifbindung, soziale Sicherheit oder Arbeitnehmerrechte hat sie jeweils gleich viel anzubieten: nichts. Die Bundestagsfraktion hat 2022 einer Erhöhung des Mindestlohns mit der Begründung nicht zugestimmt, dessen »politische Anhebung« würde »den Markt außer Kraft setzen«.

Im vergangenen Jahr behauptete sie erneut, es gehe »sehr zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit«, dass Deutschland mit mittlerweile 12,41 Euro die Stunde den zweithöchsten Mindestlohn in der EU habe – tatsächlich ist es der fünfthöchste. Wenigstens für ausländische Saisonarbeiter in der Landwirtschaft forderte die Fraktion deshalb eine Ausnahmeregelung.

Die Empörungswelle reiten

Die Partei griff wiederholt Gewerkschaften an und lehnte im Bundestag die Ausweitung des Streikrechts ab. Und im Landtag von Baden-Württemberg wollte die AfD-Fraktion 2023 das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz abschaffen. Dieses stellt sicher, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die ihren Beschäftigten das gesetzliche Mindestentgelt bezahlen und sich tariftreu verhalten.

Arbeitnehmerrechte werden bei der AfD dem Gewinnstreben der Unternehmen untergeordnet. Denn die AfD ist eben nicht nur eine in Teilen rechtsextreme, sondern auch eine neoliberale Partei, der die Arbeitnehmer am Arsch vorbei gehen und die Politik allen voran für Unternehmen macht. Solche Widersprüche sind es, denen sich Katapult im »echten AfD-Wahlprogramm« hätte widmen können. Aber die Empörungswelle reitet sich nun mal einfacher.

Tatsächlich hat das Magazin mittlerweile so viel Kritik eingesteckt, dass es reagieren musste und von seinem ursprünglichen Vorhaben abgewichen ist. Man habe verschiedene Experten um Rat gebeten: »Der Großteil findet es gut, dass überhaupt jemand eine größere Aktion startet.« Da aber noch kein Meisterwerk vom Himmel gefallen ist, gab es auch ein paar Verbesserungsvorschläge. Statt dem »echten AfD-Wahlprogramm« wolle man deshalb nun »Demokratie-Programme« drucken, mit denen demokratische Kräfte gestärkt werden sollen. Die Zitatesammlung bleibt, denn »der Großteil befürwortet die Zitate-Aktion«. Nur ist sie nicht mehr unkommentiert.

Vielleicht sollte man besser die Bedingungen analysieren und kritisieren, die den Aufstieg der extremen Rechten überhaupt erst begünstigt haben.

Freilich: Selbst wenn ein Großteil der 20 Prozent zu begreifen begänne, dass das AfD-Programm für sie von Nachteil wäre, blieben diese 20 Prozent weiterhin Rechtsextreme, die die AfD genau aus diesem Grund wählen. Vielleicht sollte man also besser die Bedingungen analysieren und kritisieren, die den Aufstieg der extremen Rechten überhaupt erst begünstigt haben. Deutschtümelei, die die AfD als »Schande für die Nation« betrachtet, hilft dabei sicher nicht.

Die AfD ist nicht die einzige Partei, die mit Abschiebephantasien Wahlkampf macht. Zwischen guten (Fachkräfte) und schlechten (»illegalen«) Immigranten zu unterscheiden, beherrschen die anderen Parteien genauso gut; egal ob rechtsextrem oder linksliberal. Die AfD ist keine Schande für Deutschland, sondern ein Ausdruck von Deutschland.