Souveränität und Föderation
Der Jurist Pawel Tschikow, der die Menschenrechtsorganisation Agora leitet, und sein ehemaliger Mandant Rafis Kaschapow standen nicht immer auf derselben Seite. Einst hatten Tschikows tatarische Mutter und russischer Vater in Kasan um sein Leben gebangt. Das war Anfang der neunziger Jahre: Auf den Demonstrationen der tatarischen Nationalisten, die Kaschapow mitorganisierte, waren gelegentlich Todesdrohungen gegen die »Mankurten« (Personen, denen wegen ihrer Herkunft aus einer »gemischten Familie« mangelndes tatarisches Nationalbewusstsein unterstellt wurde) zu hören. Doch 2016 betreute Tschikow Kaschapows Beschwerde über die politische Repression in Russland beim Europäischen Gericht für Menschenrechte.
Heutzutage stehen beide im russischen Register der »ausländischen Agenten« und leben im Ausland. Beide sind bedeutende Repräsentanten verschiedener Strömungen der Opposition gegen Präsident Wladimir Putin – Kaschapow der nationalistischen, Tschikow der prowestlich-liberalen. Über sein schwieriges Verhältnis zu politischen Positionen Kaschapows sprach Tschikow mit dem populären liberal-oppositionellen Journalisten Jurij Dud, der ebenfalls als »ausländischer Agent« eingestuft wird und Russland verlassen hat. Für Tschikow war sein Engagement für Kaschapows eine Frage des Prinzips, ungeachtet der politischen Differenzen.
Russifizierungspolitik gab es unter Putins Herrschaft nicht. Gleichzeitig wird dem Kampf gegen jedes Streben nach Unabhängigkeit oder mehr Föderalismus hohe Priorität eingeräumt.
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