30.01.2025
Die linke Empörung über Elon Musk tappt in die Skandalisierungsfalle

Das kommt von Herzen

Ob Elon Musk bei der Amtseinführung Donald Trumps den Hitlergruß zeigte, bleibt der Interpretation überlassen. Die linke Empörung tappt in die übliche Skandalisierungsfalle.

Die einen sagen so, die anderen so. Auf die Frage, ob Elon Musk bei der Feier von Donald Trumps Amtsantritt den Hitlergruß gezeigt hat, gibt es links wie rechts klare Antworten: ja hier, nein dort. Beiderseits zeigt sich der Wunsch nach Eindeutigkeit – doch so einfach ist es nicht.

Bewegungsablauf und Mimik erinnern auf jeden Fall an den Gruß. Nimmt man die strittige Videosequenz für sich, wirkt es gar eindeutig: ein Schlag auf die Brust, das zackige Recken des Arms, steife Kopfhaltung, bissiger Blick – einmal hin zum Publikum, dann nochmal zum Podium. Das ist zwar kein »Deutscher Gruß« in Reinform, der nur heißt, den rechten Arm steif zu recken, man kennt das Musk’sche Gebaren aber aus Filmen von und über Nazis. Da kommt der vorgelagerte Brustschlag etwa in testosterongesättigten Momenten zum Einsatz.

Ist Musk Opfer einer Dekontextualisierung geworden? Im digitalen Lagerkampf ist das eine übliche Praxis. 

Nun gibt es aber noch den Kontext: Nach dem zweimaligen markigen Armrecken fasst sich der Oligarch erneut an die Brust – diesmal gefühlvoller – und verkündet: »My heart goes out to you.« Das rückt die Sache in ein anderes Licht. Tatsächlich kommt es zuweilen vor, dass Personen des öffentlichen Lebens den rechten Arm mal recken oder ihn von der Brust nach oben strecken, um Sympathie zu bekunden. Musk verwies, als der Skandal ins Rollen kam, etwa auf ein Video von Emmanuel Macron, der so eine Bewegung vollzieht – die man auch ohne Worte als Zuneigungsgeste versteht.

Ist Musk Opfer einer Dekontextualisierung geworden? Im digitalen Lagerkampf ist das eine übliche Praxis. Man verbreitet eine aus dem Kontext gerissene Sequenz, die dafür mit einem knackigen Kommentar versehen wird – und schon geht eine Story viral, die den Gezeigten Unrecht tut. Das passiert ständig, rechts wie links. Mal mag das bewusste Manipulation sein, mal Selbstmanipulation: Es passt ja so schön zum gepflegten Feindbild.

Möglich ist jedoch auch, dass Musk bewusst mit der Uneindeutigkeit spielte. Auch das ist eine übliche Praxis bei Rechten und Rechtsextremen: Nazi-Symbolik zur Schau stellen, die an sich harmlos wirkt – und dann auf naiv machen. Man denke an den Abusus der Kleidungsmarke Lonsdale, Ziffernkombinationen wie 88 oder die Umdeutung des Okay-Zeichen zum White-Power-Symbol.

Klüngeln mit der extremen Rechten

Nun lassen sich die Absichten eines Musk aber nicht nachweisen. Man kann aber die Plausibilität der vorgenannten Annahme diskutieren, indem man weiteren Kontext einbezieht. Dazu gehört etwa, dass Musk zunächst über die Bühne hüpft und den Anwesenden seinen Dank für den Sieg Trumps ausspricht. Er agiert gewohnt peinlich, aber sichtlich fröhlich. Es folgt die aggressiv wirkende Sequenz, ohne Herzenskommentar. Den liefert er erst hinterher, sichtlich softer und wieder lächelnd.

Vor der Sequenz und nach ihr gibt es also jeweils einen Bruch. Die militärische Art passt mit der fröhlichen Rahmenstimmung nicht zusammen. Sie wirkt affektiert, fast schon eingeübt, auf jeden Fall deplatziert. Als wohlwollende Interpretation bleibt da nur, dass der Multimilliardär, der als Autist und Drogenverschlinger gilt, ein schräger Vogel sei, der sich eben seltsam verhalte und kein Takt­gefühl besitze.

Doch Musk klüngelt seit einiger Zeit gehörig mit der extremen Rechten, führt mittlerweile eine politische Kampagne zu deren Gunsten und scheint sich in der Rolle des Unruhestifters zu gefallen. Wenn Musk-Fans meinen, dass bei ihm eine Provo-Aktion nicht mal denkbar sei, dann ist das nicht weniger einfältig als die linke Vereindeutigung. Letztere wird dadurch aber nicht stichhaltiger. Dass Musk hier hitlern wollte, bleibt Spekulation. Vor allem aber ignoriert die Empörung wieder mal die eingespielten Interaktionsmuster, die sich aus rechter Provokation und linkem Affekt ergeben.

Empörung bereitet das Feld der Gegenempörung

So behauptet beispielsweise der Volksverpetzer, dass »die Medien«, die hier keinen klaren Hitlergruß sehen, »das Spiel von Musk spielen«. Wahrscheinlicher ist aber, dass man sich mit derlei Empörung zum nützlichen Idioten der extremen Rechten macht. Als der Stern Musk auf seinem Cover (»Angriff auf unsere Demokratie«) abbildete, ließ dieser wissen, das sei »genau das, was ich erwartet habe und geschehen sehen wollte«; der AfD werde das »nur helfen«. Musk weiß, dass man Linke leicht provozieren und ihre Empörung nutzen kann.

Die extreme Rechte kann darauf zählen, dass das linke Lager auf vieles moralisch-panisch reagiert. Nicht nur Rechtsextreme empfinden derlei Reaktionen oft als überzogen und reagieren mit einem bockigen »Jetzt erst recht«, ein Effekt, der in der Psychologie als Reaktanz bezeichnet wird. Sympathie mit den Kritisierten oder gar die Nachahmung der strittigen Handlung kann Folge davon sein. Die Forschungsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft »Gegen Hass im Netz« spricht hier von einem »Flugsandeffekt«.

Dass nun eine Herzwurfgeste als Hitlergruß gilt und im Internet bereits Karriere als einschlägige Anspielung macht, ist ohne die linke Empörung nicht denkbar. In der Zeit nach dem Sylter Vorfall, als ein Elektro-Hit zur Chiffre für eine xenophobe Parole wurde (die man nun nicht mehr zum Track blöken muss, für die Botschaft genügt das bloße Abspielen), konnte man das bereits beobachten. Die Empörung bereitet das Feld der Gegenempörung. Polarisierungsdynamiken bricht man nicht mit polaren Denkweisen. Öfters mal jein zu sagen, wäre ratsam. Für eine aufgeklärte Debatte wäre es ohnehin geboten.