06.02.2025
Hudhaifa al-Mashhadany, Leiter einer arabischen Sprachschule in Neukölln, im Gespräch über Bedrohungen durch Hamas-Unterstützer

»Ich bin auf der Feindesliste der Hamas«

Hudhaifa al-Mashhadany leitet die arabische Sprachschule Ibn Khaldun im Berliner Bezirk Neukölln. Mitte Januar hinterließen mutmaßliche Hamas-Sympathisanten Drohungen gegen ihn an der ­Fassade der Schule. Seine Schule gibt derzeit rund 700 Kindern Arabisch­unterricht und ist eine der wenigen nichtreligiösen Angebote dieser Art in Neukölln. Die »Jungle World« sprach mit al-Mashhadany über die Bedrohungen.

Was ist passiert?
Am 19. Januar hat mich eine unserer Lehrerinnen angerufen und gesagt, dass ich sofort kommen solle, weil es auf Schildern von unserem und einem benachbarten Verein, die an der Hausfassade angebracht sind, Aussagen gegen mich gebe. Dort wurden die ­Parolen »From the sea to the river« und »Palestine will be free« hingeschrieben und ein rotes Hamas-Dreieck hingezeichnet.
Außerdem wurde auf dem Klingelschild der Name unserer Schule und mein Name mit roter Farbe durchgestrichen und mit einem weiteren Dreieck versehen. Schließlich wurden auf Arabisch die Parolen »Nimm den Verräter und Kollaborateur ins Visier der Kanone« und »Ehre dem Widerstand« hinterlassen, auch jeweils mit roten Hamas-Dreiecken.
Den Satz mit dem »Verräter« verwenden die ­al-Qassam-Brigaden (der militärische Arm der Hamas, der für die Angriffe vom 7. Oktober 2023 verantwortlich war; Anm. d. Red.), um ihre Feinde zu kennzeichnen. Das bedeutet, ich bin auf der Feindes­liste der Hamas und soll erschossen werden – nichts anderes.

»Weil mittlerweile viele Familien ihre Kinder bei uns angemeldet haben, haben zwei islamische Schulen in der Umgebung geschlossen.«

Sie haben wenige Tage nach dem 7. Oktober 2023 eine Erklärung des Bezirksamts Neukölln unterzeichnet, welche die Terror­angriffe der Hamas auf Israel verurteilte. Ist das der Grund für diese Drohungen?
Wir werden seit dem 7. Oktober 2023 bedroht, unter anderem von der Hamas und Samidoun. Vor kurzem habe ich eine Whatsapp-Nachricht erhalten, die sich gegen mich und meine Schule richtete. Darin werde ich als »Verräter« und »Spion« bezeichnet, weil ich mit deutschen Behörden zusammenarbeite.
Es wurde darin gefordert, dass die Eltern ihre Kinder von unserer Schule abmelden sollen und dass ich Deutschland verlassen solle. Dabei habe ich mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft – wohin soll ich gehen?
Zur gleichen Zeit besuchte mich ein Vorsitzender eines arabischen Vereins und sagte, dass es besser wäre, wenn ich nach Bielefeld ginge und dort eine Schule aufmachte. Es wurden Davidsterne an unsere Hauswand gemalt und jemand warf einen Stein durch eine Fensterscheibe, wodurch drei unserer Kinder verletzt wurden.

Ihre Schule organisiert Veranstaltungen zur israelisch-arabischen Verständigung, bei denen zum Beispiel Ihre Schüler israelische Jugendliche treffen. Aber sind Sie nur wegen Ihrer Haltung zu Israel in den Fokus der Terrorunterstützer geraten?
Wir sind eine liberale Einrichtung, eine säkulare Schule. Weil mittlerweile viele Familien ihre Kinder bei uns angemeldet haben, haben zwei islamische Schulen in der Umgebung geschlossen. Viele Kinder kommen zu uns, Frauen, alleinerziehende Mütter, Väter, die gebildeten Leute. Wir machen alles: Wir gehen zu ara­bischen Events, zu israelischen Veranstaltungen, unsere Freunde sind multi­kulti: Deutsche, Israelis, Araber. Die islamische Community hat keinen Umgang mehr mit den arabischen Familien, deswegen bedrohen sie mich. Ich bin traurig, wenn Kinder zu mir kommen, die mir sagen, sie hätten bei ihrem Arabischunterricht immer ein Kopftuch tragen müssen. Sie fragen mich dann, ob sie sich bei uns anmelden können. Ich sage ihnen: »Ja, das geht.«

»Ich bin traurig, wenn Kinder zu mir kommen, die mir sagen, sie hätten bei ihrem Arabischunterricht immer ein Kopftuch tragen müssen.«

Bekommen Sie Unterstützung?
Ich vertraue der Berliner Polizei, dem Neuköllner Bezirksbürgermeister und der zuständigen Senatorin. Wir hatten letztens ein Treffen mit unserem Elternbeirat, das waren über 1.000 Menschen. Ich habe einen großen Hochzeitssaal gemietet, die wollten alle mit mir reden. Sie sagen mir ganz ehrlich und klar: Wenn du bleibst, bleiben wir – wenn du gehst, gehen auch wir. Das gibt mir die ­Sicherheit, mich zu entscheiden, dazubleiben.