Jungle+ Artikel 06.02.2025
Pascal Bruckner frönt dem Kulturpessimismus

Ratloses Raunzen

Pascal Bruckners neues Buch »Die Gesellschaft der Opfer« ist eine schale Übung in konservativem Kulturpessimismus, die es konsequent versäumt, einen kritischen Begriff von autoritärer Selbst­viktimisierung zu entwickeln.

Autoritäre Strömungen werden immer stärker. Bei aller Unterschiedlich­keit ist ihnen allen eine rhetorische Strategie gemein: die Selbststilisierung zum Opfer. Donald Trump, Wladimir Putin, Viktor Orbán, die AfD und ihre kleine Alpen-Avantgarde, die FPÖ, behaupten, Opfer übergeordneter Mächte zu sein, gegen die sie sich zur Wehr setzen müssten. Das ist sogar dann der Fall, wenn sie selbst politische Macht ausüben oder der Aggressor in einem Krieg sind.

Die Schlüsselbegriffe solcher Art strategischer Viktimisierung zirkulieren in den Social-Media-Debatten und summieren sich zu einer Rhetorik des Kulturkampfs. Mal ist es der »tiefe Staat«, mal die »woke Übermacht« oder eben der »kollektive Westen«, die Gesellschaften destabilieren und Ordnungen vernichten würden. Der Rechten geht es um Umkehrungen; das autoritäre Begehren muss sich als Verteidigung verkleiden. In ihrem Buch »Verkehrungen ins Gegenteil« (2023) analysiert die Literaturwissenschaftlerin Sylvia Sasse dies als eine »subversive Strategie von oben«.

Der konkretistische Wahn des Antisemitismus erlaubt eine welterklärende Aufteilung in Täter (jüdische Verschwörer) und Opfer (Volk) und bietet so das entlastende Phantasma von »omnipotenter Ohnmacht«, das zur konformistischen Rebellion führt.

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