13.02.2025
Die Tücken der »Workation«

Homestory #07/2025

Arbeiten, wo andere Urlaub machen? Klingt komisch, ist es auch. Dennoch versuchen das mit der sogenannten Workation sogar gesellschaftskritisch geschulte Redakteur:innen der »Jungle World«.

Der Kapitalismus wird nicht nur im Volkswirtschaftsstudium für seinen Hang zu Innovationen gefeiert. Eine dieser Innovationen ist – wie viele andere auch – lediglich Etikettenschwindel: Während früher der Chef im Urlaub nervte, erklärt man das Arbeiten aus der Ferne heute zur Selbstbestimmung, sogenannter Workation, also die Kombination von work und vacation, sprich Urlaub. Das verändert insbesondere seit der Covid-19-Pandemie das moderne Arbeitsregime. Ein Buch zur Sache weiß zu berichten, das sei »hoch produktiv, fühlt sich an wie Urlaub und die extra Portion Lebensfreude hält das ganze Jahr an«.

Den Gesellschaftskritikern Ihrer Lieblingszeitung macht man aber kein X für ein U vor. »Ich musste erst googeln, was Workation sein soll, und weigere mich kategorisch, solche Deppenwörter in mein Vokabular aufzunehmen«, schallt es prompt auf die Frage, wie die geneigte Meinung in der Redaktion dazu sei, zurück. »Ein absoluter Fluch«, meint ein Redakteur, der sich bisher dieser Innovation verweigert hat, was eine erfahrungsgesättigte Kollegin zu bestätigen weiß: »Telefonkonferenz auf der Autobahn mit Familie: Leute, bitte seid jetzt kurz leise! Verzweifelte W-Lan Suche am Gardasee … «

Auch die kritischsten Kritiker wollen das bisschen Glück, das die effizienzorientierte Gesellschaft bietet, nicht gänzlich missen.

Sodann aber werden die unter kapitalistischen Bedingungen vollzogenen technischen Fortschritte hinsichtlich ihrer stets widersprüchlichen Glücksaussichten erörtert. Eine Redakteurin meint: »Auf La Gomera habe ich beim Arbeiten mit Blick auf Palmen, Mango- und Avocadobäume meine Ablehnung der Workation überdacht.«

Als »ziemlich genial« befand ein anderer Redakteur die hälftige Aufteilung seines Aufenthalts in Tiflis in Urlaub und Arbeit. Das sei entspannt gewesen und habe den »Urlaubsdruck« genommen, »jetzt auch aber so richtig die Zeit zu genießen«. Auch die kritischsten Kritiker wollen offenbar das bisschen Glück, das die effizienzorientierte Gesellschaft bietet, nicht gänzlich missen.

Privilegien-Check und Sigmund Freud

Als Konzession an postmoderne Gepflogenheiten soll hier der Privilegien-Check nicht fehlen: Wo die Erfüllung des Bedürfnisses der Redakteure, aus Berlin rauszukommen – bei einem meldet sich dieses periodisch alle vier bis sechs Wochen –, nur vom Geldbeutel abhängt, stößt das Layout an die Grenzen des technisch Möglichen. Hier wird mit energieintensiven Programmen gearbeitet, »da kommst du ohne Powerbank nicht weit«, schreibt die Kollegin und erinnert an eine Layouterin, die ihren Arbeitstag deswegen schon mal nahe der Steckdose auf einer bayerischen Campingplatztoilette verbringen musste.

Wie fällt die Bilanz aus? Vielleicht ähnlich wie schon bei Sigmund Freud. In seiner Schrift »Das Unbehagen in der Kultur« bemerkte er 1930, dass das durch technischen Fortschritt erlangte Glück nur aufzuholen versucht, was zuvor an neuem Leid durch selbigen geschaffen wurde.