Dealen mit Putin
Russland führt den Krieg gegen die Ukraine jetzt schon drei Jahre lang. Nun aber soll nach dem Willen des US-Präsidenten Donald Trump alles ruckzuck zu Ende gehen. Bereits vor seiner Wiederwahl hatte Trump getönt, innerhalb von 24 Stunden für Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu sorgen.
Geschehen ist das freilich nicht. Doch nun versucht sich Trump dennoch als Friedenserzwinger zu inszenieren und setzt dafür alle Beteiligten, einschließlich der europäischen Bündnispartner der USA, unter Druck.
Schon unmittelbar nach Trumps Amtseinführung am 20. Januar deutete manches auf eine Intensivierung der Kontakte zwischen den USA und Russland hin, die nach der russischen Invasion 2022 so gut wie abgebrochen worden waren; Trumps Vorgänger Joe Biden hatte den russischen Alleinherrscher Wladimir Putin seinerzeit als »Kriegsverbrecher« bezeichnet.
Eine Rückgabe von Gebieten an die Ukraine bis zur Wiederherstellung der Grenzen von vor 2014 sei nicht denkbar, sagte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth.
Am 12. Februar klingelte es dann, das erste Telefonat zwischen dem wiedergewählten Präsidenten Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin fand statt – und damit auch das erste offizielle Gespräch Putins mit einem US-Präsidenten seit Kriegsbeginn. In der ihm eigenen theatralischen Art wertete Trump den immerhin fast anderthalb Stunden andauernden Meinungsaustausch als vollen Erfolg. Er und Putin sprachen demnach über die Beilegung des Israel-Gaza-Kriegs, die Rolle des Dollars, die globalen Energiemärkte und sogar über künstliche Intelligenz. Trump sagte, dass Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs »unverzüglich« beginnen werden, und verabredete ein persönliches Treffen mit Putin.
Der hielt sich, wie so häufig, mit Kommentaren zurück und überließ es seinem Pressesprecher Dmitrij Peskow, die passenden Worte finden. Im Interview mit dem Korrespondenten des russischen Staatsfernsehens, Pawel Sarubin, sagte Peskow, endlich könnten die Probleme in Dialogform gelöst und nicht über Krieg, sondern über Frieden gesprochen werden – eine irreführende Formulierung, die vergessen lassen soll, wer den Krieg begonnen hat.
Vermeintliche Konfliktursachen als Gesamtgaunerei
Putin habe Trump gegenüber klargestellt, so Peskow, dass die Grundlage für Friedensgespräche die Beseitigung der Konfliktursache sein müsse, ohne darauf einzugehen, was damit gemeint sein soll. Putin hat im Laufe der vergangenen Jahre von einer ganzen Reihe von vermeintlichen Konfliktursachen gesprochen – Osterweiterung der Nato, »Nazismus« und »Genozid« an russischsprachigen Bürgern in der Ukraine –, die wohl als Gesamtgaunerei in möglichen Verhandlungen von Russland aufgeboten werden dürften.
Dem russischen Staatsfernsehen und so manchen auf Kriegspropaganda spezialisierten russischen Bloggern reichte indes bereits die erste Annäherung an die USA, um zu frohlocken. Russland erhalte endlich wieder die internationale Aufmerksamkeit, die es verdiene, so der Tenor. Genugtuung machte sich bei der Aussicht breit, dass Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine ohne Beteiligung derer Regierung stattfinden könnten.
Den Anlass für diese nicht unberechtigte Annahme lieferte der US-Präsident selbst, der im Anschluss an das Telefonat mit Putin und seinen Einlassungen darüber auf der Trump-eigenen Plattform Truth Social den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kontaktierte, um ihm von seinem »langen und äußerst produktiven« Gespräch zu berichten.
Zweitrangige Rolle für ukrainische Führung
Auch wenn Mitteilungen der US-Regierung über eine Beteiligung der ukrainischen Führung an zukünftigen »Friedensverhandlungen« widersprüchlich ausfallen, deutet derzeit vieles darauf hin, dass Trump der ukrainischen Führung zumindest in der Vorbereitungsphase nur eine zweitrangige Rolle zugedacht hat – eine Abkehr von der vorherigen US-Politik unter Biden, der nach dem Motto agierte: »Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine.«
Ein Indiz dafür ist die Zusammensetzung des von Trump beauftragten Stabs, der den sogenannten Verhandlungsprozess leiten soll: US-Außenminister Marco Rubio, CIA-Direktor John Ratcliffe, der Nationale Sicherheitsberater Michael Waltz und Steve Witkoff, Trumps Sonderbeauftragter für den Nahen Osten.
Nicht in der Runde vertreten ist hingegen Keith Kellogg, General im Ruhestand und US-Sondergesandter für die Ukraine und Russland. In den »Tagesthemen« der ARD hatte Kellogg vergangene Woche betont, dass selbstverständlich die Ukraine mit Russland direkt kommunizieren und in Verhandlungen einbezogen werden müsse. Im Interview mit dem US-Sender NBC News beharrte Selenskyj derweil darauf, dass er niemals eine Übereinkunft zwischen den USA und Russland über die Ukraine akzeptieren werde, die ohne Beteiligung der Ukraine ausgehandelt worden sei.
Wie stark die Kräfte sind, gegen die sich die Ukraine nunmehr auf diplomatischer Ebene behaupten muss, und welche Rahmenbedingungen die neue US-Regierung vorzugeben trachtet, davon gab der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth vergangene Woche bei einem Nato-Treffen in Brüssel einen Eindruck. Es brauche eine realistische Einschätzung des Kampfgeschehens; eine Rückgabe von Gebieten an die Ukraine bis zur Wiederherstellung der Grenzen von vor 2014 sei nicht denkbar – gemeint war wohl vor der russischen Annexion der Krim –, so Hegseth.
Putin darf sich bereits als Sieger fühlen
Um einen erneuten Kriegsausbruch – nach einem hypothetischen Friedensschluss – zu verhindern, brauche es zwar verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine, eine Nato-Mitgliedschaft halte er allerdings für nicht denkbar, sagte Hegseth. Stattdessen müssten europäische und nicht näher genannte nichteuropäische Streitkräfte für die Aufrechterhaltung des Friedens für die Ukraine sorgen. Und besonders wichtig: Ein Angriff gegen diese Kräfte dürfe die Nato nicht zum Eingreifen verpflichten. Trump fügte später hinzu, dass die Ukraine durchaus zumindest einen Teil der von Russland besetzten Gebiete zurückbekommen könne.
Mit der deutlichen Absage an die ukrainischen Forderungen nach einer Nato-Vollmitgliedschaft und der Wiederherstellung der Grenzen von 1991 – die sich von denen des Jahres 2014 auf See, in der Straße von Kertsch oder im Asowschen Meer unterscheiden – gewährte die US-Führung Russland noch vor den ersten Sondierungsgesprächen zwischen den USA und einer russischen Delegation am Dienstag in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad einen klaren Vorteil; ganz abgesehen davon, dass die Ukraine, Selenskyj zufolge, ohnehin nicht eingeladen war, ebenso wenig wie Vertreter der EU. Putin dürfte sich bereits als Sieger fühlen und wird wohl versuchen, eine Abschwächung oder gar Beendigung der US-amerikanischen Sanktionen gegen Russland zu erwirken.
In seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz Ende vergangener Woche sprach US-Vizepräsident J. D. Vance weniger über den Krieg in der Ukraine, sondern legte seinen Schwerpunkt vielmehr darauf, den europäischen Regierungen vorzuwerfen, sich von ihren »Werten« zurückzuziehen und die Bedenken der Wähler in Bezug auf Migration und Meinungsfreiheit zu ignorieren. Das gipfelte darin, dass Vance gegen ein angeblich eingeschränktes Recht auf freie Meinungsäußerung in der EU wetterte.
Sondergipfel in Paris
Die USA haben noch während der Konferenz ihre europäischen Bündnisstaaten schriftlich dazu befragt, wie sie sich in Art und Umfang an Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen würden – und was sie dafür von den USA erwarten. Das forsche Vorgehen der Regierung Trump sorgt unter den EU-Staaten für Unmut und es gibt die Sorge, die USA könnten die Kosten – insbesondere was den Wiederaufbau für die in erheblichem Ausmaß zerstörte Infrastruktur der Ukraine betrifft – einseitig auf die EU abwälzen.
Weil man auf die Unterstützung der USA in militärischer Hinsicht nicht mehr zählen könne, forderte Selenskyj in München den Aufbau eigenständiger europäischer Streitkräfte. Für Montag hatte daraufhin der französische Präsident Emmanuel Macron europäische Staats- und Regierungsoberhäupter nach Paris zu einem Sondergipfel zur Ukraine eingeladen, wo der britische Premierminister Keir Starmer die Bereitschaft äußerte, britische Soldaten zur Sicherung eines dauerhaften Friedensabkommens in die Ukraine zu entsenden.
Welche Aussagen Trumps und seiner Regierung im weiteren Verlauf Bestand haben werden, ist unklar. »Präsident Trump hat einen modus operandi, den die Russen ›Aufklärung durch Kampf nennen. Man fängt an zu handeln und sieht, was passiert, und dann ändert man seine Position«, zitierte die BBC den polnischen Außenminister Radosław Sikorski.
Durchgestochenen Dokumenten zufolge fordern die USA sogar die Hälfte der Einnahmen aus ukrainischen Bodenschätzen und ein Vetorecht bei der Vergabe von Lizenzen sowie den Zugang zu den ukrainischen Häfen, zur Infrastruktur sowie zu Öl und Gas.
Der augenblickliche Stand ist, dass sich die USA für bisher geleistete und zukünftige Hilfe an die Ukraine – eventuell auch in Form von Friedenstruppen – den Zugriff auf die Hälfte der ukrainischen Vorkommen an Seltenen Erden sichern möchte. Durchgestochenen Dokumenten zufolge fordern die USA sogar die Hälfte der Einnahmen aus ukrainischen Bodenschätzen und ein Vetorecht bei der Vergabe von Lizenzen sowie den Zugang zu den ukrainischen Häfen, zur Infrastruktur sowie zu Öl und Gas. Den ersten Vertragsentwurf, den der US-amerikanische Finanzminister Scott Bessent zu einem Treffen vorige Woche in Kiew mitbrachte, weigerte sich Selenskyj zu unterzeichnen. Dazu kommt, dass Putin nicht von seiner Haltung abweicht, dass Selenskyj gar nicht befugt sei, einen Friedensvertrag abzuschließen.
Schließlich sei seine Amtszeit als Präsident abgelaufen. Nicht ausgeschlossen, dass sich Selenskyj doch zu Neuwahlen durchringt, entgegen seinem vom Gesetz gedeckten Verbleib im Amt, solange der Krieg andauert. Aber wer weiß, was sich Trump bis dahin noch alles ausdenkt.