Hilferuf aus Afghanistan
Um straffällig gewordene Afghanen in ihr Herkunftsland abschieben zu können, würden einige deutsche Politiker mit den Taliban telefonieren. Wie etwa der CSU-Vorsitzende Markus Söder, der nach den islamistischen Anschlägen in Aschaffenburg und München gleich wöchentliche direkte Abschiebeflüge nach Afghanistan gefordert hatte.
Ahmad Massoud, Anführer der Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan (National Resistance Front of Afghanistan, NRF) im tadschikischen Exil, sagte am Donnerstag vergangener Woche im Interview mit der österreichischen Tageszeitung Die Presse, was er davon hält: »Als ob man Kopfschmerztabletten gegen Krebs nehmen will.«
Wer Angst vor Terroristen habe, solle auch stets daran denken: »Sie erziehen Männer in ihren Schulen zum Jihadismus.«
Er sei nicht gegen eine restriktive Migrationspolitik, aber es sei effektiver, die Demokratie in seinem Land zu fördern. Komme die wieder, »dann werden auch Millionen Flüchtlinge zurückgehen«, sagte Massoud. Die seien nur vor den Taliban geflohen. Wer Angst vor Terroristen habe, solle auch stets daran denken: »Sie erziehen Männer in ihren Schulen zum Jihadismus.«
Massoud will jetzt Gegenkräfte innerhalb der Taliban mobilisieren. Die gibt es dem 35jährigen zufolge tatsächlich. Vermutlich seien aber die meisten von ihnen geflohen oder verhielten sich still. »Derzeit würden moderatere Taliban von den Hardlinern zerquetscht werden«, sagte er. Sie bräuchten jetzt Hoffnung, die eine internationale Initiative geben könne.
Als Guerilla aktiv
Massouds Vater Ahmad Shah Massoud kämpfte zunächst gegen die sowjetischen Besatzungstruppen (1979–1989), dann gegen das erste Taliban-Regime (1996–2001). Seine Kämpfer hielten eine Region im Norden des Landes, 2001 fiel er einem Attentat von al-Qaida zum Opfer. Ahmad Massoud, der sich 2019 öffentlich bereit erklärt hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, sammelte 2021 Kämpfer um sich, als die westlichen Truppen abzogen. Seinen Angaben zufolge ist die NRF derzeit in 19 von 34 Provinzen des Landes als Guerilla aktiv.
Massoud nahm in Wien am 18. und 19. Februar an der fünften Konferenz des Vienna Process for a Democratic Afghanistan teil, bei der Oppositionsgruppen ein gemeinsames Programm erarbeiten wollen. Das öffentliche und mediale Interesse blieb dürftig und es ist unwahrscheinlich, dass Massoud derzeit westliches Interesse an der Demokratisierung Afghanistans wecken kann.