06.03.2025
Die Ursachen für die Wahlniederlage des BSW

Wagenknechts Scheitern

Feindselige Medienkampagnen, »Manipulation« durch Meinungs­forschungs­institute, »Unregelmäßigkeiten bei der Wahl«: Beim BSW sucht man die Schuld für das schlechte Wahlergebnis überall, nur nicht bei sich selbst.

Fabio De Masi ist etwas Großem auf der Spur. Seine Partei würde viele Nachrichten erreichen, die auf »Unregelmäßigkeiten bei der Wahl hindeuten«, schrieb der Europaabgeordnete vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vergangene Woche auf X. Er wolle solche Vorfälle nun sammeln und rief dazu auf, Verdächtiges zu melden. Obendrein, so schreibt De Masi, sei das BSW »sehr ungünstig auf dem Wahlzettel positioniert« gewesen und »insbesondere für ältere Menschen nicht leicht zu finden«.

Äußerst knapp ist das BSW bei der Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde gescheitert. Um etwa 13.000 Stimmen verfehlte die Partei den Einzug in den Bundestag. Die Vorsitzende und Namensgeberin schiebt die Schuld auf die Medien. Die hätten die Partei »niedergeschrieben«, sagte Sahra Wagenknecht auf einer Pressekonferenz am Tag nach der Wahl. Außerdem hätten einige Meinungsforschungsinstitute die Wähler absichtlich mit zu niedrigen Werten für das BSW in die Irre geführt, das sei »eine gezielte Aktion zur Manipulation von Wahlverhalten« gewesen.

Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am vergangenen Sonntag erhielt das BSW mickrige 1,8 Prozent. Zur Frage, ob auch hier die Meinungsforschungsinstitute schuld waren, war von der Partei bislang nichts zu hören.

Die Bundestagswahl hat die Annahme endgültig widerlegt, das BSW könne der AfD das Wasser abgraben: Von dort wanderten nur 60.000 Wähler zur Wagenknecht-Partei ab.

Betrachtet man die Ergebnisse der Wahlforschung, so gewann das BSW bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen von der SPD (440.000), Nicht-wähl­er:innen (400.000) und der Linkspartei (350.000). Damit ist die Annahme widerlegt, das BSW könne der AfD das Wasser abgraben: Von dort bekam die Wagenknecht-Partei nur 60.000 Stimmen.

Dabei hat das BSW sich der AfD-Wählerschaft geradezu angebiedert: Ende Januar stimmte ein Großteil der BSW-Fraktion im Bundestag gemeinsam mit AfD und FDP für das »Zustrombegrenzungsgesetz« der Union.

Direkt danach verließen sechs zum Teil hochrangige Mitglieder in Bayern die Partei, aus Protest gegen den Kurs des BSW in der Flüchtlingspolitik. Unter ihnen war der stellvertretende Landesvorsitzende der Partei, der Verdi-Gewerkschaftssekretär Josef Ilsanker.

Regierungsbeteiligungen dem Image als Anti-Establishment-Partei abträglich

In Bayern genoss das BSW unter Gewerkschaftern einigen Zuspruch, nicht zuletzt weil dessen Bundestagsabgeordneter Klaus Ernst lange Jahre IG-Metall-Funktionär war. Auch er stimmte gemeinsam mit der AfD für den Gesetzentwurf der Union. Weniger als zwei Wochen vor der Bundestagswahl veröffentlichten zwei Dutzend bayerischen IG-Metall-Bevollmächtigte oder deren Stellvertreter einen offenen Brief an Ernst. Sie warfen ihm vor, sich mit »Rassist:innen gemein gemacht« zu haben. Am Ende bekam das BSW in Bayern nur 3,1 Prozent der Stimmen.

In den fünf ostdeutschen Bundesländern verlor die Wagenknecht-Partei im Vergleich zur Europawahl fast 140.000 Stimmen. In Brandenburg, Thüringen und Sachsen erhielt das BSW insgesamt etwa 136.000 Stimmen weniger als noch bei den Landtagswahlen in diesen Ländern im September. Die Regierungsbeteiligungen in Brandenburg und Thüringen scheinen dem Image als Anti-Establishment-Partei nicht förderlich gewesen zu sein. Da die Linkspartei und die AfD zugelegt haben, könnte es sein, dass das BSW an beide verloren hat.

Sicher hat das knappe Scheitern auch mit dem Zustand des BSW zu tun. Die Partei ist von etablierten Linksparteipolitikern als straff geführte Kaderorganisation am Reißbrett entworfen worden. Man kann nicht einfach Mitglied werden, sondern der Bundesvorstand entscheidet in jedem Fall einzeln. Zum Teil müssen dafür zahlreiche Interviews absolviert werden. Einige Anwärter warten schon über ein Jahr auf die Mitgliedschaft, was zu erheblicher Unzufriedenheit bei vielen Anhängern führte.

Beiträge zahlen, im Wahlkampf helfen, aber nicht mitbestimmen dürfen

Kurz vor der Wahl berichtete die Taz aus internen Parteidokumenten und Tonaufnahmen, die der Zeitung vorlagen. Demnach sei es die Strategie der Partei, auch langfristig nur wenige ausgewählte Parteimitglieder mit Stimmrecht aufzunehmen. Ein viel größerer Teil der Interessenten soll als »Unterstützer« aktiv sein, also Beiträge zahlen und im Wahlkampf helfen, aber nicht mitbestimmen dürfen.

Mit der selektiven Aufnahme nur weniger Mitglieder habe die Partei vermeiden wollen, so Wagenknecht, dass sich allerlei »Glücksritter, Narzissten oder Extremisten« bei ihr einfinden. Doch auch dies konnte zahlreiche Zerwürfnisse nicht verhindern. Zwei frisch gewählte Mitglieder des Kreistags Gotha verließen die Partei bereits im Juni 2024 unter dem Vorwurf der Intransparenz und des Geklüngels und kündigten an, zur rechtskonservativen Werteunion zu wechseln. In Hamburg gab es im Dezember Zoff, zwei konkurrierende Landesverbände entstanden. Kritik an der Parteiführung wurde laut, weil nur 27 Personen als Mitglieder aufgenommen worden waren.

Diese rigide Aufnahmepraxis sorgt für Unmut sogar bei Wagenknecht-Fans. Im Januar 2024 baten der frühere Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Diether Dehm, und einige andere in einem offenen Brief gekränkt um Einlass: »Sind wir etwa Glücksritter?«

Trotz der Vorsicht, die die Parteiführung angeblich walten lässt, kommt es immer wieder zu Kontakten mit ex­tremen Rechten.

Trotz der Vorsicht, die die Parteiführung angeblich walten lässt, kommt es immer wieder zu Kontakten mit ex­tremen Rechten. Der BSW-Europaabgeordnete Michael von der Schulenburg sollte im Mai 2024 bei der rechten Burschenschaft Germania sprechen. Als der Termin öffentlich wurde, hieß es seitens der BSW-Führung, Schulenburg habe aus Unkenntnis zugesagt und werde nun nicht auftreten.

Der sächsische BSW-Landtagsabgeordnete Jens Hentschel-Thöricht sprach im Herbst auf einer »Friedensdemo« in Görlitz, organisiert vom Bündnis Oberlausitz, das zusammen mit der rechtsextremen Partei Freie Sachsen in Bautzen eine Kreistagsfraktion bildet. Vergangene Woche stimmte der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf im brandenburgischen Landtag für einen Antrag der AfD, die Parlamentarische Kontrollkommission nicht zu verkleinern. Wäre mehr als nur ein Oppositionsvertreter im Gremium zugelassen, bekäme die AfD einen Sitz in der Kommission, die den Verfassungsschutz kontrolliert.

Die BSW-Fraktion hat mitgeteilt, Hornauf nicht auszuschließen. Kürzlich stimmte im Zwickauer Stadtrat eine Mehrheit aus AfD, Freien Sachsen, BSW und zwei Stadträten der CDU dafür, der Bundeswehr ein Werbeverbot auf städtischen Flächen zu erteilen – den Antrag unter dem Titel »Zwickau Stadt des Friedens« hatte das BSW eingebracht.