13.03.2025
Die neue österreichische Regierungskoalition

Zuckerl statt rechts-rechtsextrem

Beim zweiten Anlauf und nach einem kurzen FPÖ-Intermezzo haben sich in Österreich ÖVP, SPÖ und Neos auf eine Regierungskoalition geeinigt.

Die Zeiten sind nicht schön, aber es muss allen politisch noch halbwegs bei Trost seienden Menschen in Österreich vergönnt sein, nun mal kurz durchzuatmen und erleichtert festzustellen: FPÖ-Anführer Herbert Kickl wird nicht »Volkskanzler« und seine Partei, die zu allen Horrorgestalten, die diese Welt schlechter machen – von Wladimir Putin über Donald Trump bis zu den Mullahs und den Taliban –, herzlichen Kontakt unterhält, bleibt für die kommenden fünf Jahre wenigstens auf Bundesebene auf die Oppositionsrolle beschränkt.

Man darf aufatmen, weil zum Beispiel die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch, eine entfernte Geistesverwandte von Robert F. Kennedy Jr., nicht Gesundheitsministerin wird. Ebenso darf man aufatmen, weil Österreich an einer Orbánisierung oder Schlimmerem vorerst noch mal vorbeigekommen ist. Das alles und mehr ist ein Grund zur Freude.

Ja, es wird ermüdend, sich immer wieder über das kleinere Übel zu freuen, wohl wissend, dass es immer noch ein Übel sein wird. Aber eine Magen-Darm-Grippe ist einem Ebolafieber eben vorzuziehen.

Ja, es wird ermüdend, sich immer wieder über das kleinere Übel zu freuen, wohl wissend, dass es immer noch ein Übel sein wird. Aber eine Magen-Darm-Grippe ist einem Ebolafieber eben vorzuziehen. Nicht ganz so erfreulich ist, dass die Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos, von den Medien wegen der türkis-rot-pinken Parteifarbenkombination Zuckerlkoalition gerufen, ein Budgetdefizit in Milliardenhöhe abbauen will. In den kommenden Jahren müssen sich Rentner:innen auf reale Pensionskürzungen einstellen, man will Massensteuern wie die auf Tabak erneut erhöhen und Förderungen für Elektromobilität und klimaneutrale Kleinkraftwerke zusammenkürzen. Viel mehr Details sind noch nicht bekannt, aber es werden wohl keine besonders lustigen fünf Jahre für den Großteil der Bevölkerung.

Immerhin konnten die Sozialdemokraten eine Bankenabgabe durchsetzen, wegen der ÖVP und Neos die ersten Koalitionsverhandlungen noch scheitern ließen, und eine Begrenzung für Mietsteigerungen erwirken. 2025 sollen die Mieterhöhungen bei Altbauten (das sind im Allgemeinen vor 1953 fertiggestellte Wohnungen) sowie Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen komplett ausgesetzt werden. 2026 dürfen sie nur um ein Prozent und 2027 um maximal zwei Prozent erhöht werden. Ab 2028 soll ein neuer Mietindex die Inflationsanpassung deckeln. Ob das Modell auch auf Neubaumieten ausgedehnt wird, ist noch offen. Die SPÖ fordert dies, dass sie sich durchsetzen wird, darf aber bezweifelt werden. Ihre beiden Koalitionspartner sind ja nun eher die Interessenvertreter der Besitzenden.

Faktische Kapitulation vor der katastrophalen Entwicklung des Klimas

Ein bisschen optimistisch stimmt, dass die neue Regierung einen historisch hohen Anteil von Fachexpertinnen und -experten in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen aufweist. Dasselbe gilt auch für die Parlamentsfraktionen der Koalitionspartner. Womöglich kein schlechter Ansatz, um den aufziehenden Taifun in der Weltpolitik mit einer fachlich kompetenten, ideologisch möglichst flexiblen Führung des Landes halbwegs intakt zu überstehen.

An Anlässen zur Kritik wird es natürlich auch die neue Regierung nicht mangeln lassen. Abseits des erwartbaren wirren Geschreis der FPÖ und ihrer Fans werden wohl, und das mit Recht, die Grünen die faktische Kapitulation vor der katastrophalen Entwicklung des Klimas anprangern. Und sonst?

Sicherlich gibt es noch einzelne zur kritischen Analyse fähige Linke. Aber auch in Österreich gilt, dass man sich in kapitalismuskritischen linken Kreisen keine drei Meter bewegen kann, ohne auf Verrückte zu treffen, die mit der Hamas das Völkerrecht erkämpfen möchten oder mit Putin den westlichen »Imperialismus« zu besiegen beabsichtigen.

Ist von der neuen österreichischen Bundesregierung Gutes zu erwarten? 

Oder, anders und dennoch verrückt, solche, die sich phantastische Spinnereien darüber ausdenken, wie man zusammen mit Putin und Trump »den Islam« bekämpfen und »die westliche Zivilisation retten« werde. Die Wahnproduktion ist nämlich links der Mitte ebenso stark eskaliert wie rechts von ihr, nur schenkt man der weniger Beachtung, weil es sich hier um keine mehrheitsfähigen Parteien, sondern streitsüchtige Sekten handelt.

Ist von der neuen österreichischen Bundesregierung Gutes, gar Progressives zu erwarten? Gemessen daran, was die Trumpisten und Putinisten gerade anrichten und was Figuren wie Kickl oder Weidel tun würden, wenn sie könnten, durchaus. Ansonsten gilt: mitgefangen, mitgehangen. Das Rad, das man 2022 und 2023 hätte anhalten können, indem man in der Ukraine eine Niederlage des Putinismus herbeiführt, dreht sich nun so schnell, dass ihm niemand mehr in die Speichen greifen mag.