20.03.2025
Der Iran steigert die Produktion von hochangereichertem Uran

Die Tücke des falschen Wegs

Die vom iranischen Regime geführte »Achse des Widerstands« ist stark geschwächt. Zugleich verfügt das Regime über so viel hochangereichertes Uran wie sonst nur Länder mit Atomwaffen – und die Zahl der Hinrichtungen im Iran erreicht einen neuen Höchststand.

Irans Präsident Masoud Pezeshkian platzte der Kragen. »Tun Sie, was zur Hölle Sie wollen«, sagte er vergangene Woche an die Adresse seines US-amerikanischen Amtskollegen Donald Trump.

Mit der damit verbundenen Absage an Verhandlungen über das iranische Atomprogramm reagierte er auf ein diplomatisches Hickhack um einen Brief, den Trump nach eigener Aussage kurz zuvor an den iranischen Obersten Führer Ali Khamenei geschickt haben wollte – wo er, behauptete die iranische Führung, nicht angekommen sei.

Der Inhalt des Schreibens, wie ihn Trump dem Fernsehsender Fox Business mitteilte, lautete so: Entweder zeige sich der Iran bereit, über ein neues, weitreichendes Atomabkommen zu verhandeln, oder die USA würden dafür sorgen, dass der Iran keine Atommacht wird – nötigenfalls auch mit militärischen Mitteln.

Aus der vorliegenden Gesamtmenge lässt sich schnell und mit relativ geringem Aufwand waffenfähiges Uran für sieben Atombomben produzieren.

Nachdem der Brief schließlich doch noch an den iranischen Außenminister Abbas Araghchi hatte übergeben werden können, äußerte sich auch Khamenei. Durch übermäßige Forderungen und Drohungen werde man sich nicht zu Verhandlungen zwingen lassen. Einmal mehr versicherte er, Atomkraft nur zu zivilen Zwecken nutzen zu wollen. »Wenn wir Atomwaffen bauen wollten, könnten die USA uns nicht davon abhalten«, sagte er und fügte hinzu: »Wir selbst wollen das nicht.«

Die Fakten allerdings sprechen eine andere Sprache. Im vergangenen Quartal hat der Iran das Tempo seiner Urananreicherung enorm beschleunigt. Dem jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) von Ende Februar zufolge hat der Iran seinen Vorrat an Uran mit 60prozentiger Anreicherung innerhalb der vergangenen vier Monate um 92,5 Kilogramm auf nunmehr 275 Kilogramm gesteigert.

Damit wurde das Tempo bei der Herstellung hochangereicherten Urans (HEU) im Vergleich zu der im vergangenen Jahr relativ konstant gebliebenen Produktionsrate mehr als verdreifacht. Aus dieser Gesamtmenge lässt sich schnell und mit relativ geringem Aufwand waffenfähiges Uran für sieben Atombomben produzieren, während gleichzeitig weiter HEU nachgeliefert werden kann. Die IAEA weist darauf hin, dass es kein anderes Land gibt, das solche Mengen HEU produziert, es sei denn für militärische Zwecke.

Nuklearmaterial für Entwicklung von Atombomben abgezweigt?

Die Einschätzungen von Proliferationsexperten gehen auseinander, wie viel Zeit der Iran benötigen würde, um mit diesem Sprengstoff tatsächlich nukleare Gefechtsköpfe zu befüllen und diese auf Trägersystemen zu montieren. Immer deutlicher wird jedoch der Verdacht ausgesprochen, Iran könnte nicht deklariertes Nuklearmaterial abgezweigt haben, um es an unbekannter Stelle für eine Entwicklung von Atombomben zu verwenden. Darüber soll die IAEA noch in diesem Frühjahr einen umfassenden Bericht vorlegen.

Doch zurück zum Verhalten der iranischen Führung. Pezeshkians Worte wirken vor dem Hintergrund der innen- wie außenpolitisch denkbar schlechten Lage, in der sich der Iran derzeit befindet, weniger wie eine souveräne Machtdemonstration gegenüber der neuen Garde in Washington als vielmehr wie ein hilfloser und frustrierter Wutausbruch von jemandem, der mit dem Rücken zur Wand steht.

Das Regime ist – aller Religiosität zum Trotz – freilich nicht imstande, die erlittenen Rückschläge als Strafe für die niederträchtigen Handlungen zu verstehen, die es mit seiner Unterstützung des Angriffs auf Israel am 7. Oktober 2023 begangen hat. Ohne das Einverständnis und vor allem die Unterstützung des Iran hätte die Hamas das Massaker an über 1.200 Israelis nicht verüben können. Ganz zu schweigen davon, dass das Regime seine Filialen im Jemen und Libanon zum Dreifrontenkrieg gegen Israel ermunterte und im vergangenen Jahr selbst zwei direkte Angriffe mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen auf Israel unternahm.

»Gottgegebene Lösung der Palästina-Frage«

Ende 2023, im trügerischen Gefühl des Erfolgs, ließ es sich Khamenei nicht nehmen, die iranische Strategie hinter dieser Entfesselung der Konflikte persönlich vorzustellen. In zwei Reden vom November 2023 nannte der Mann, der sich als Oberster Führer bezeichnen lässt, fünf Punkte zur »gottgegebenen Lösung der Palästina-Frage«, darunter die Aufkündigung der Abraham-Abkommen, die einige arabische Staaten mit Israel abgeschlossen haben, die Verurteilung und den Boykott Israels durch die muslimische Weltgemeinschaft sowie die Fortsetzung des »al-Aqsa-Sturms«, wie der 7. Oktober in der Diktion der Täter heißt.

Dieser Weg, an dessen Ende die Beseitigung des Staats Israel stehen sollte, stößt innerhalb wie außerhalb des Iran auf beträchtliche Sympathien. Sie reichen bekanntlich bis in die Hörsäle europäischer und nordamerikanischer Universitäten. Und obwohl die iranische Strategie bisher nichts als Misserfolg und Zehntausende Opfer gebracht hat, gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass das Regime umschwenkt oder, falls es die Gelegenheit dazu hätte, nicht einen neuerlichen Angriff auf Israel versuchen würde.

Davon sind die Machthaber in Teheran derzeit allerdings weit entfernt. Der Ring proiranischer Milizen, den sie um Israel errichten wollten, ist stark geschwächt. Die Hamas ist militärisch dezimiert und existiert fast nur noch in den Tunneln unter Gaza. Die Hizbollah hat eine schwere Niederlage erlitten, ihr Führungspersonal wurde ausgeschaltet, das Raketenarsenal, mit dem sie Israel bedrohte, scheint weitgehend zerstört zu sein und die Verbindungsroute über Syrien in den Libanon ist gekappt.

Machtwechsel in Syrien

Im Iran selbst verschlechtert sich unaufhaltsam die Versorgungslage für die Bevölkerung. Stromausfälle, geschlossene Schulen, fehlende Lebensmittel gehören zum Alltag. »Fleisch ist ein Luxus, Kartoffeln verschwinden vom Speiseplan«, schreibt das Online-Magazin Iran Journal Anfang Februar. Die Wirtschaft schrumpft von Jahr zu Jahr, während die iranische Währung abstürzt. Allein in den vergangenen zwei Monaten hat der iranische Rial um 25 Prozent gegenüber dem Euro verloren. Anfang März lag der Preis für einen Euro auf dem freien Devisenmarkt erstmals bei über einer Million Rial. Auf dem Schwarzmarkt kosten westliche Devisen beinahe das Doppelte des offiziellen Wechselkurses.

Mit dem Machtwechsel in Syrien ist dort nicht nur der privilegierte Marktzugang für iranische Waren entfallen, verloren gingen auch Investitionen und Vermögenswerte, was die iranischen Banken zusätzlich belastet. Auch politisch kriselt es. Anfang März setzte das iranische Parlament den Wirtschaftsminister ab, darauf folgte der Rücktritt des Vizepräsidenten. Beide gelten wie Präsident Pezeshkian als »gemäßigt«.

Zugleich verschärft sich die gesellschaftliche Repression. Dem Jahresbericht der norwegischen Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights und der französischen Initiative Ensemble contre la peine de mort zufolge wurden 2024 mindestens 975 Menschen hingerichtet, die höchste Zahl seit zwei Jahrzehnten. Der Mehrzahl der Opfer wurden Drogendelikte vorgeworfen, in mindestens 31 Fällen handelt es sich um Frauen, die bei häuslichen Konflikten in Notwehr Tötungsdelikte begangen hatten und 80 der Hingerichteten waren afghanische Migranten.

Was neben Freitagsgebeten und Zentrifugen im Land immer noch zuverlässig funktioniert, sind Galgen und Gefängnisse.

Einige Fälle haben einen deutlichen politischen Hintergrund. Die Exekutierten gehörten der Bewegung Frauen, Leben, Freiheit an oder waren politische Gefangene kurdischer Herkunft, auch der im Oktober 2024 wegen Mitgliedschaft in einer monarchistischen Gruppe hingerichtete deutsch-iranische Staatsbürger Jamshid Sharmahd zählt hierzu. Zuletzt vollstreckte die Justizbehörde eine Strafe von 74 Peitschenhieben gegen den Sänger Mehdi Yarrahi. Er hatte ein Lied zur Unterstützung der »Frauen, Leben, Freiheit«-Bewegung veröffentlicht, das den Titel trägt »Nimm dein Kopftuch ab«.

Was also neben Freitagsgebeten und Zentrifugen im Land immer noch zuverlässig funktioniert, sind Galgen und Gefängnisse – zumindest vorerst. Denn der Iran muss weitere einschneidende Sanktionen befürchten, während er gleichzeitig an keinem Tag vor einem militärischen Angriff Israels und der USA auf seine Atomanlagen sicher sein kann. Seine jahrzehntelangen Anstrengungen und milliardenschweren Investitionen in das Atomprogramm haben ihr Ziel nicht erreicht. Im Gegenteil, der Iran ist angreifbar und unsicher wie nie zuvor.