27.03.2025
Die AfD-Fraktion im neuen Bundestag umfasst mehr ausgewiesene Rechtsradikale denn je

Mehr Höcke im Bundestag

Die neue AfD-Fraktion im Bundestag ist nicht nur doppelt so groß wie die alte, sie wird auch noch stärker von völkischen Rechtsextremen dominiert.

Für ihre konstituierende Sitzung musste die neue Bundestagsfraktion der AfD in einen größeren Saal ausweichen. Waren 2021 noch 83 Abgeordnete der Partei in den Bundestag gewählt worden, von denen am Ende nach den für die Partei üblichen Austritten und Ausschlüssen noch 76 der Fraktion angehörten, sind es diesmal mit 152 annähernd doppelt so viele.

Von den Mitgliedern der neuen Fraktion sind 92 neu im Parlament. Ein weiterer, Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen, war in der vorigen Legislaturperiode zwar über die AfD-Liste in den Bundestag eingezogen, wurde dann aber nicht in die Fraktion aufgenommen. Gegen ihn läuft immer noch ein Parteiausschlussverfahren, unter anderem weil er sich in internen Chats selbst als das »freundliche Gesicht des NS« bezeichnet hatte. Nun wurde er in die neue Bundestagsfraktion aufgenommen.

Aus Thüringen sind drei enge Vertraute des Landesvorsitzenden Björn Höcke in die AfD-Bundestags­fraktion eingezogen, darunter sein bisheriger Büroleiter.

Mehr Höcke wagen – das scheint das Motto der neu zusammengesetzten Fraktion zu sein. Denn auch wenn der Thüringer Landesvorsitzende nicht selbst im Bundestag sitzt, sind doch drei enge Vertraute Björn Höckes in die Bundestagsfraktion eingezogen: sein bisheriger Büroleiter Robert Teske, Torben Braga, zuletzt parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im thüringischen Landtag, und der stellvertretende thüringische Landesvorsitzende Stefan Möller. Alle drei zählen klar zum völkischen Flügel der Partei, dessen Führungsfigur Höcke nach wie vor ist.

Teske stammt ursprünglich aus Brandenburg, machte jedoch zunächst als Landesvorsitzender der Jungen Alternative Bremen von sich reden, weil er offen mit der extrem rechten Identitären Bewegung sympathisierte. Der ­extrem rechten Initiative »Ein Prozent« sagte er 2018: »Die Identitären machen gute Aktionen und werden zu Unrecht vom Verfassungsschutz beobachtet.«

Das völkische Netzwerk gibt inzwischen in der ganzen Partei den Ton an 

Braga wiederum war früher Sprecher der Deutschen Burschenschaft, dem am weitesten rechts stehenden der großen Dachverbände studentischer Verbindungen in Deutschland. Er selbst war Mitglied der Marburger Burschenschaft Germania, die vom hessischen Verfassungsschutz beobachtet und als rechtsextrem eingestuft wird. 2017 war er einer derjenigen, die Björn Höcke begleiteten, als dieser trotz Hausverbot an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozia­lismus in der Gedenkstätte Buchenwald teilnehmen wollte.

Zuletzt fiel Braga im Februar auf, als er zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens auf X ein Zitat des späteren RAF-Mitglieds Ulrike Meinhof von 1965 postete: »In Dresden ist der Anti-Hitler-Krieg zu dem entartet, was man zu bekämpfen vorgab und wohl auch bekämpft hatte: zu Barbarei und Unmenschlichkeit, für die es keine Rechtfertigung gibt.«

Möller schließlich war 2015 als Unterzeichner der »Erfurter Resolution« von Anfang an Teil des sogenannten Flügels um Björn Höcke, also des völkischen Netzwerks, das sich offiziell aufgelöst hat, aber inzwischen in der ganzen Partei den Ton angibt. Im Mai 2024 relativierte er in dem Podcast der Thüringer AfD den verbrecherischen Charakter der SS im Nationalsozialismus. Nicht jeder, der eine Uniform der Waffen-SS trug, sei ein Massenmörder gewesen, so Möller.

Podcasts, Spione, Pornos

In diesem Podcast hatte Möller vor zwei Wochen einen besonderen Gast. »Ab durch die Brandmauer mit Steffen Quasebarth« lautete der Titel der Sendung: Quasebarth ist Politiker beim Bündnis Sahra Wagenknecht und ist in Thüringen Vizelandtagspräsident. Die beiden plauderten über ihre Jugend in Thüringen und Quasebarths Vergangenheit als Moderator beim MDR. Später sagte Quasebarth, er habe am Podcast teilgenommen, um AfD-Wähler zu erreichen.

Stefan Möller hat etwas mit seinem neuen Fraktionskollegen Maximilian Krah gemeinsam. »Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war«, sagte Krah der italienischen Zeitung La Repubblica, als er AfD-Spitzenkandidat im Europawahlkampf 2024 war. Die AfD erteilte ihm ein Auftrittsverbot, und als er dann nach der Wahl im Europaparlament saß, wurde er nicht in die gemeinsame Fraktion der AfD mit anderen rechtsextremen ­Parteien aufgenommen.

Abgesehen davon ist Krah durch ­seine Tiktok-Videos bekannt, in denen er jungen Männern rät, keine Pornos zu gucken, oder dafür, dass er einen mutmaßlichen chinesischen Spion in seinem Büro beschäftigt und einem mutmaßlichen russischen Spion Zutritt zum ­EU-Parlament verschaffte. Krah tritt nicht nur oft als Verteidiger von ­Wladimir Putins Regime auf, was in der AfD ja nicht ungewöhnlich ist, ­sondern auch als besonderer Liebhaber der Diktatur in China.

Krah, Bessin, Jongen

Darüber hinaus hielt Krah Vorträge am damaligen Institut für Staatspolitik und veröffentlichte in Götz Kubitscheks Verlag Antaios das Buch »Politik von rechts. Ein Manifest«. Der Sozialwissenschaftler David Begrich bezeichnete ihn im Gespräch mit der »Tagesschau« als einen der »wichtigsten Exponenten des völkisch-nationalistischen Flügels in der AfD«.

Aus Brandenburg wechselt die Landtagsabgeordnete Birgit Bessin in den Bundestag, die ebenfalls zu den Erst­unterzeichner:innen der »Erfurter Resolution« gehörte und als Vertraute des ehemaligen Brandenburger Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz gilt, der die Partei verlassen musste, weil er seine Mitgliedschaft in der neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend verheimlicht hatte.

Aus Baden-Württemberg kommt Alexander Arpaschi. Dieser war zuletzt Mitarbeiter des EU-Abgeordneten Marc Jongen, der bei dem Philosophen Peter Sloterdijk promoviert und eine Habilitation begonnen hatte, vielen als »Vordenker« oder »Chefphilosoph« der Partei gilt und zum Schnellrodaer Klüngel um Götz Kubitschek und den Antaios-Verlag zu zählen ist. Sloterdijk selbst bezeichnete Jongen 2018 als »kompletten Hochstapler«.

»Autarkie – Souveränität – Remigration«

In Mecklenburg-Vorpommern gewann Dario Seifert ein Direktmandat – ein ehemaliges Mitglied der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der damaligen NPD (heute: »Die Heimat«). Das war freilich schon lange bekannt. »Dario Seifert galt in der AfD als aufstrebender Jungpolitiker«, schrieb deshalb die Zeitung Nordkurier bereits 2021, »doch nun scheint ihn seine Vergangenheit einzuholen.« Nun sitzt Seifert also im Bundestag.

Auf dem ersten Platz der saarländischen Landesliste wurde der dortige Landesvorsitzende Carsten Becker in den Bundestag gewählt. Im Sommer 2023 trug dieser bei einer Veranstaltung auf einem Schulhof ein T-Shirt der Identitären Bewegung, auf dem »Unser Volk zuerst. Autarkie – Souveränität – Remigration« stand. Damit gehörte er zu den Ersten, die innerhalb der AfD offen Bezug nahmen auf den Begriff »Remigration«, der schließlich zur zentralen Wahlkampfparole der Partei wurde.

Seit ihrer Gründung kennt die Entwicklung AfD nur eine Richtung: nach rechts. In dieser Legislaturperiode präsentiert sie sich im Bundestag noch stärker völkisch-rechtsextrem als je zuvor.