»Anerkennung und Diskriminierung«
Seit wann leben schwarze Menschen in Deutschland?
Der erste Schwarze, von dem die Überlieferung sagt, dass er in deutschsprachigem Gebiet lebte, war der spätere Heilige Mauritius, der als römischer Offizier im dritten Jahrhundert in den Alpenraum gekommen und als Märtyrer hingerichtet worden sein soll. Er wurde später, im Jahr 962, von Kaiser Otto I. als Schutzpatron des Heiligen Römischen Reichs ausgewählt, das bis 1806 unter dem Namen Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation existierte. Sicherlich kamen schon vor Mauritius Schwarze ebenso wie Araber und Asiaten als Händler oder Soldaten nach Deutschland, nur kennen wir ihre Namen nicht.
Die Geschichte vieler Schwarzer in Deutschland wurde vergessen. Von Anton Wilhelm Amo haben wohl die meisten erst etwas gehört, als eine Straße in Berlin nach ihm benannt wurde.
Dabei ist seine Geschichte wirklich spannend und in Teilen bis heute typisch. Amo wurde 1707 als Sklave aus Ghana verschleppt und im Alter von drei Jahren der Familie der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel »geschenkt«. Das waren Anhänger der Aufklärung. Anton Wilhelm Amo erhielt eine gute Erziehung und Bildung, er machte Karriere. Er studierte Philosophie, schrieb seine Dissertation mit dem Titel »Über die Rechtsstellung der Mohren« auf Latein und wurde Dozent an den Universitäten in Halle, Jena und Wittenberg.
»Anton Wilhelm Amo hat beides zugleich erlebt: Unterstützung und Freundschaft, aber auch Ablehnung und Rassismus. Und beides gehört bis heute zum Alltag schwarzer Menschen in Deutschland: Sie haben Freunde, eine Familie, Erfolg im Beruf – und gleichzeitig erleben sie Rassismus und Ausgrenzung.«
Eine große Karriere …
Aber auch ein tragisches Leben. Natürlich hatte Amo Freunde und seine Familie, aber er fand keine Partnerin, weil er schwarz war. Und gegen ihn als Dozenten protestierten rassistische Studenten wegen seiner Hautfarbe. Amo hat beides zugleich erlebt: Unterstützung und Freundschaft, aber auch Ablehnung und Rassismus. Und beides gehört bis heute zum Alltag schwarzer Menschen in Deutschland: Sie haben Freunde, eine Familie, Erfolg im Beruf – und gleichzeitig erleben sie Rassismus und Ausgrenzung. In diesem Sinne ist die Geschichte von Amo bis heute typisch. Er hat in Deutschland beides erlebt: Anerkennung und Diskriminierung.
Was wurde aus Amo?
Am Ende ging er zurück nach Ghana. Dort war er zwar als jemand, der in Deutschland aufgewachsen war, fremd, aber das war ihm wohl lieber als der Rassismus in Deutschland. Seine Geschichte erinnert an die des Philosophen W. E. B. Du Bois fast 200 Jahre später. Der studierte Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin und berichtete, dass er im Alltag – im Gegensatz zu seinem Leben in den USA – nicht diskriminiert wurde. An der Universität sah das jedoch anders aus: Seine Doktorarbeit wurde nicht angenommen, er promovierte schließlich in Harvard. Und wie Amo zog er gegen Ende seines Lebens nach Ghana.
Warum sind die Geschichte des Anton Wilhelm Amo und auch die Legende des Mauritius in Deutschland so wenig bekannt beziehungsweise in Vergessenheit geraten?
Sie passen nicht in ein rassistisches Weltbild, in dem Schwarze in Deutschland nicht vorkommen dürfen. Doch das ist Unsinn. Schwarze leben seit Jahrtausenden in Deutschland. In Kirchenbüchern in Baden-Württemberg aus dem 14. und 15. Jahrhundert finden sich die Namen von über 300 Menschen afrikanischer Herkunft. Nicht in jedem Ort hatten die Menschen Kontakt zu Schwarzen, aber diese lebten in vielen größeren Städten und waren dort Teil der Gesellschaft. Oft wissen wir wenig über ihr Leben – das ist bei Anton Wilhelm Amo anders, der ja als Philosoph Teil des intellektuellen Lebens war. Aber auch bei ihm gibt es Lücken. Von seiner Doktorarbeit kennen wir nur den Titel, die Arbeit selbst ist verschollen.