Kaiser und Gott
Je deutlicher die Ambitionen Donald Trumps hervortreten, über seine zweite Amtszeit hinaus zu regieren, desto häufiger wird er mit Monarchen der Vergangenheit verglichen – wegen seiner wirren und irren Äußerungen gerne mit mad kings, Herrschern, die im Ruf stehen, verrückt gewesen zu sein, wie Nero, römischer Kaiser von 54 bis 68.
Solche Vergleiche sind leider schwierig, denn die Quellen sind dürftig und selten zuverlässig. Für die römische Geschichtsschreibung gelten zwei Faustregeln. Wurde ein Kaiser gestürzt, tat sein Nachfolger alles dafür, ihm einen schlechten Ruf zu verschaffen.
Zudem waren fast alle römischen Historiker aristokratische Großgrundbesitzer, und je mehr Streit ein Kaiser mit diese Schicht hatte, desto mehr Kritik wurde an ihm geäußert. Nero wurde gestürzt und er war unbeliebt bei der Aristokratie.
Viele Vorwürfe gegen Nero sind unzutreffend
Die moderne Geschichtswissenschaft ist sich weitgehend einig darin, dass viele Vorwürfe gegen Nero unzutreffend sind. Er hat Rom nicht angezündet, vielmehr können die von ihm angeordneten Hilfsmaßnahmen nach dem Brand als für damalige Verhältnisse vorbildlich gelten, seine Steuerpolitik in den ersten Amtsjahren kam den ärmeren Bevölkerungsschichten zugute und seine künstlerischen Darbietungen erreichten professionelles Niveau.
Der Kaiser neigte allerdings wohl tatsächlich zu Megalomanie und Narzissmus, es gibt also Parallelen zu Trump. Doch betrachtet man dessen Katastrophenhilfe nach den Waldbränden in Kalifornien, seine Wirtschaftspolitik oder die Tanzeinlagen – im Vergleich hat Nero ohne Zweifel die Nase vorn.
Höflicher war Nero auch. So soll er dem Senat beschieden haben, er werde dessen Danksagung erst annehmen, »wenn ich sie verdient habe«. Heuchelei, gewiss, aber auch das muss man erst einmal hinkriegen, und Trump schafft oder will das offensichtlich nicht.
Trump kann von Glück reden, dass es beim Secret Service ein anderes Ethos gibt als bei der Prätorianergarde Roms, wo er die ersten 100 Tage im Amt vielleicht nicht überlebt hätte.
Seine von Mitstreiter:innen wie Höflingen nachgeahmte demonstrative Flegelhaftigkeit ist das vielleicht ungewöhnlichste Merkmal des Herrschaftssystems, das in den USA aufgebaut werden soll. Frühere Herrscher bemühten sich zumindest um gutes Benehmen, als Camouflage der absoluten Macht, aber auch zum Selbstschutz – Demütigungen können gefährliche Feinde hervorbringen.
Trump kann von Glück reden, dass es beim Secret Service ein anderes Ethos gibt als bei der Prätorianergarde Roms, wo er die ersten 100 Tage im Amt vielleicht nicht überlebt hätte. Einige seiner Leibwächter mit Gold zu überschütten, damit die das Problem auf ihre Art ein für allemal lösen, ist wohl keine realistische Strategie zur Rettung der Demokratie.
Unsterblichkeit besitzt allerdings auch Trump nicht. Abzuwarten bleibt, ob er wie Vespasian im Jahr 79 sein Leben mit den Worten »Ich glaube, ich werde ein Gott« abschließen wird. Aber womöglich hält er sich jetzt schon für einen.