03.04.2025
David und Tom vom Verein Disput im Gespräch über eine neue Bibliothek in Dresden

»Wir sind keine Joachim-Bruhn-Gedenkbibliothek«

Der Nachlass von Joachim Bruhn, zu Lebzeiten Mitbetreiber des Verlags Ça ira, soll künftig Teil einer neuen Bibliothek in Dresden sein: der »Disputhek«. Die »Jungle World« sprach mit David und Tom vom Verein Disput, der hinter dem Projekt steht, über die Idee einer Bibliothekseröffnung, Bruhns Nachlass und die Pläne des Vereins.

Wie entstand die Idee zum Projekt?
David: Viele von uns veranstalteten über einige Jahre in studentischen Zusammenhängen Vorlesungen und Seminare, welche das Fehlen von Kritik an der TU Dresden kompensieren sollten. Wir teilen die Erfahrung, dass derartige Zusammenhänge durch Wegzug oder Studienabschluss von Mitgliedern oft zerbrechen. So werden auch kritisch-theoretische Diskussionen in der Stadt immer wieder unterbrochen und es fehlt an Kontinuität. Der Wunsch entstand, sich von derartigen Zyklen unabhängig zu machen. Deswegen schlossen wir uns zu einer neuen Gruppe zusammen und gründeten den Verein Disput.

Was genau plant ihr in der Bibliothek?
Tom: Wir wollen die Bücher Joachim Bruhns der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, bieten also einen regelmäßigen Bibliotheksbetrieb an. Vor allem freuen wir uns aber, einen Raum für Vorträge, Workshops, Lesungen und andere Veranstaltungen zu eröffnen. Die Bücher sollen für uns schließlich Gegenstand und Mittel der langfristigen Auseinandersetzung sein.

Wie sind die Bücher von Joachim Bruhn in eure Hände gelangt?
D: Wir sind mit der Deutschen Bahn nach Freiburg gereist und mit zwei Lieferwagen voller Bücher wieder zurückgefahren. Scherz beiseite, eigentlich suchte die Initiative Sozialistisches Forum (Bruhn war Mitglied der Initiative, aus der heraus auch der Verlag gegründet wurde; Anm. d. Red.) nach einem Abnehmer für die Bücher, der sie öffentlich zugänglich machen sollte. Wir hatten uns gerade als Gruppe gefunden, bewarben uns kurzerhand und bekamen schließlich den Zuschlag für eine Dauerleihgabe. Dass wir bald eine Bibliothek eröffnen können, ist also auch Verdienst der Genossinnen und Genossen Joachim Bruhns.

»Jede Kritik am Staat Israel ist antisemitisch, daran ändert sich nichts. Das heißt, Kritik ist unversöhnlich – oder sie ist nicht.«

Welche Rolle würdet ihr seinem Werk für die Gegenwart zusprechen?
T: Zunächst: Wir sind keine Joachim-Bruhn-Gedenkbibliothek und wollen aus seinem Denken auch keine Schule machen. Eine Antwort wollen wir trotzdem nicht schuldig bleiben. So bleibt für uns unter anderem die Einsicht, dass eine Kritik des Kapitals nicht ohne eine Kritik des Staats zu machen ist. Auch deswegen wäre es ein Verrat an der Sache, allzu große Rücksicht auf innerlinke Befindlichkeiten und Konsenswünsche zu nehmen. Dies gilt auch für die Kritik des Antisemitismus, welcher sich ob seiner Irrationalität den so verbreiteten Theoretisierungssehnsüchten entzieht. In diesem Bewusstsein gilt: Jede Kritik am Staat Israel ist antisemitisch, daran ändert sich nichts. Das heißt, Kritik ist unversöhnlich – oder sie ist nicht.

Aus welchen anderen Privatbibliotheken stammen eure Bestände?
D: Die Spender:innen wünschen sich, nicht namentlich erwähnt zu werden. Wir freuen uns jedenfalls riesig über ihre Spenden, denn die Bücher erweitern unseren Bestand auch thematisch.

Wann könnt ihr eure Räumlichkeiten perspektivisch eröffnen?
T: Wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht, ist es bereits am 26. April so weit. Hinter den Kulissen arbeiten wir schon sehr lange an unserem Projekt und so freuen wir uns umso mehr darauf, bald die Pforten öffnen zu können. Für den alltäglichen Bibliotheksbetrieb fehlen uns allerdings noch einige Anschaffungen. Wir sind daher auf Spenden angewiesen und freuen uns insbesondere auch über neue Fördermitglieder.