Der analoge Mann
Susanne hat mich vor Monaten gefragt, ob wir nicht mal zusammen in der Bar »Konrad Tönz« auflegen wollen, abseits unseres üblichen Milieus. Wir sind beide Swing-DJs. Gern sagte ich zu. Jetzt brauchten wir nur noch einen Titel für unseren Abend. Wir einigten uns auf »Rhythm & Blödsinn«.
Am Samstag war es dann so weit, und so gegen halb neun schnallte ich meinen Plattenkoffer aufs Fahrrad und fuhr in die Kreuzberger Falckensteinstraße. Als ich eintraf, war der Laden schon gut gefüllt. Wie an einem normalen Tanzabend ging ich zuerst einmal auf die Toilette, wechselte das vom Fahrradfahren bereits nasse T-Shirt und zog mir leichte Tanzschuhe an.
»Rhythm & Blödsinn«
Obwohl es im »Konrad Tönz« gar keinen Holzfußboden gibt, sondern Teppich, stehe und bewege ich mich mit schickeren, bequemere Schuhen gleich viel lockerer als in schweren Straßenschuhen, vor allem an einem langen Abend. Ich habe mir sogar angewöhnt, zu privaten Partys leichte Schuhe mitzubringen, um nicht stundenlang auf Socken zu laufen.
Dann kam Susanne und und wir fingen an aufzulegen. Mit Hindernissen. Die Dual-Plattenspieler im »Konrad Tönz« sind um die 60 Jahre alt. Vorhören oder den Plattenteller stoppen und starten wie bei den üblichen Turntables von Technics ist nicht möglich. Aber irgendwann hatten wir den Dreh raus und die Party kam in Schwung.
Ich kenne das »Konrad Tönz« noch aus den Neunzigern und war dort vor vielen Jahren auch immer mal wieder DJ, zusammen mit meinem Freund Franky Fuzz. Dann wechselte der Besitzer, das Schallplattenauflegen in Kneipen kam aus der Mode und ich hatte auch keine Lust mehr, meine Stunden mit Betrunkenen zu verbringen.
Freunde kamen, tranken, rauchten und fingen an zu tanzen. Wie geplant spielten wir neben Rhythm & Blues, Jazz, Soul und Beat auch reichlich Blödsinn wie zum Beispiel »Glaubst I bin bled« von der Wiener Worried Men Skiffle Group, den Rülps-Beat-Song »It’s a Gas« von Alf Newman und den Anbagger-Hit »Gestatten Sie« von Charlie und The Brothers Dufte.
Ich kenne das »Konrad Tönz« noch aus den Neunzigern und war dort vor vielen Jahren auch immer mal wieder DJ, zusammen mit meinem Freund Franky Fuzz. Dann wechselte der Besitzer, das Schallplattenauflegen in Kneipen kam aus der Mode und ich hatte auch keine Lust mehr, meine Stunden mit Betrunkenen zu verbringen. Vor allem, weil ich ja selbst nicht trank. Im »Konrad Tönz«, benannt nach dem Fernsehmoderator Konrad Toenz, der sich in der Sendung »Aktenzeichen XY … ungelöst« immer aus dem Aufnahmestudio Zürich meldete, ist alles immer noch wie vor 30 Jahren, nur mit anderen, jungen Leuten.
Dann stellte Antje, eine Bekannte, mir ihren Freund Hendrik vor. »Hendrik ist ebenfalls Schallplattensammler«, sagte sie. Ich fragte: »Und, was sammelst du so?« Er antwortete: »Ach, alles Mögliche. Das ist sehr breit gefächert.« Ich darauf: »Ich auch, aber ehrlich gesagt, am liebsten seltsame, lustige Platten.« Er: »Ich auch.« Ich: »Und am liebsten Singles.« Er: »Ich auch.«
Toll! Das hatte ich wirklich noch nie gehört. Noch einer von meiner Sorte. Das hat mich sehr gefreut. Um vier Uhr war ich erschöpft und fuhr nach Hause, während es im »Tönz« immer noch weiterging. Am nächsten Morgen hatte ich einen Kater und natürlich musste ich alle meine Klamotten waschen.
Die Single von Waldemar Matuška
Am Montag bekam ich dann eine Mail von Hendrik, der sich für den schönen Abend bedankte und ein Foto seiner Single-Neuerwerbungen mitschickte. Darauf zu sehen war eine Single von Waldemar Matuška. Ich erinnerte mich sofort daran, dass Franky Fuzz die Single einmal bei einer unserer Auktion/Destruktion-Plattenversteigerungen anbieten wollte, als ich rief: »Nicht die Waldemar Matuška!« Da hat Frank sich nicht halten können und angefangen, sehr laut zu lachen.
Als Ost-Beat-Sammler kannte ich den tschechischen Popsänger Matuška natürlich und wusste auch, dass das seine erste Single in Westdeutschland war. Das Cover sieht schick aus, doch die Platte selber ist gar nicht besonders gut. Sie ist aber interessant unter dem Aspekt, dass eine Handvoll tschechoslowakischer Musikerinnen in Westdeutschland in den Jahren vor dem Prager Frühling veröffentlicht wurden. Franky hat sie dann zum Glück nicht versteigert und mir geschenkt. Und es wurde dann später so ein Running Gag zwischen uns: »Nicht die Waldemar Matuška!«