17.04.2025
In der russischen Armee kämpfen über 150 chinesische Söldner gegen die Ukraine

Grenzenlose Partnerschaft

Über populäre Plattformen wie Douyin, die chinesische Version von Tiktok, wirbt Russland in China offen für den Kriegseinsatz in der Ukraine.

Der Kreml dementiert aus Prinzip alles, was Wolodymyr Selenskyj sagt. So auch in der vergangenen Woche, als der ukrai­nische Präsident davon sprach, dass chinesische Soldaten für die russischen Streitkräfte im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt würden. In seinem offiziellen Telegram-Kanal ließ er ein Video veröffentlichen, in dem zwei am 8. April im Donbass festgenommene chinesische Kriegsgefangene davon berichteten, dass sie auf Seiten Russlands an der Front gekämpft hätten. Einer der beiden schilderte, wie russische Soldaten, nachdem sich seine Gruppe bereits ergeben hatte, eine Gasgranate auf sie abfeuerten. Der Chinese glaubte zu ersticken, ein Ukrainer habe ihm das Leben gerettet.

Der Gefangene sagte nach Angaben der Ukrajinska Prawda aus, er habe sich in China anwerben lassen und dafür rund 3.000 Euro an Vermittlungsgebühr bezahlt. Im Februar 2025 habe er nach seiner Ankunft in Moskau den Vertrag mit der russischen Armee unterschrieben. Seine Motivation sei die russische Staatsbürgerschaft gewesen. Der zweite Chinese war offenbar vergangenen Dezember mit einem Touristenvisum nach Russland eingereist. Erst dort habe er auf eine Anzeige im Internet reagiert und sich freiwillig zum Armeedienst gemeldet – des Geldes wegen. Es sei sein erster Fronteinsatz gewesen. Die kurze Grundausbildung habe zusammen mit anderen chinesischen Staatsangehörigen auf dem von Russland besetzten Luhansker Gebiet stattgefunden. Kommuniziert wurde per Gesten und Übersetzungsprogramm auf dem Handy.

Li Jianwei, der sich im Dezember 2023 in Moskau anwerben ließ, echauffierte sich über die russische Armee, die schlechte Ausrüstung, fehlenden Zusammenhalt und die hohe Sterberate.

Bei einem Pressegespräch sagte Selenskyj, in mindestens 155 Fällen lägen Passdokumente und Informationen über die chinesische Herkunft von Angehörigen der russischen Armee und deren Einsatzort vor. Außerdem sei bekannt, wie die Anwerbung funktioniere. Werbekampagnen des russischen Militärs laufen in großem Maßstab auf populären chinesischen Plattformen wie Douyin, der chinesischen Version von Tiktok. Es sei also kein Geheimnis. Selenskyj wollte jedoch nicht ausschließen, dass darüber hinaus auch der breiten Öffentlichkeit nicht zugängliche Wege zur Rekrutierung chinesischer Soldaten existieren. Mit Verweis auf Unterlagen des Geheimdiensts, die man habe einsehen können, bestätigte das ukrainische Online-Nachrichtenmagazin Suspilne, dass über 150 chinesische Staatsbürger in den Jahren 2023 und 2024 Verträge mit der russischen Armee abgeschlossen hätten und hauptsächlich niedere Dienstränge bekleideten.

Dem exilrussischen Rechercheportal Istories liegen Namen von 51 Chinesen vor, die zwischen Juni 2023 und 2024 bei der Moskauer Rekrutierungsstelle einen Vertrag mit der russischen Armee unterzeichnet haben. Jeden Monat hätten Interessierte vorgesprochen, besonders viele seien es im Juli 2023 gewesen. Aus Einträgen und Videos in sozialen Medien geht hervor, dass zumindest einige Soldaten nach Ablauf ihres einjährigen Vertrags nach China zurückgekehrt sind. Einige von diesen haben sich zu ihrer Dienstzeit geäußert, und zwar negativ. So echauffierte sich Li Jianwei, der sich im Dezember 2023 in Moskau anwerben ließ, auf Youtube über die Zustände in der Armee, die schlechte Ausrüstung, fehlenden Zusammenhalt und eine hohe Sterberate.

Kämpfer seien nicht im Auftrag der chinesischen Führung unterwegs

Ganz neu sind Information über die Beteiligung chinesischer Söldner an dem in Russland als »militärische Spezialoperation« verharmlosten Krieg in der Ukraine also nicht. Sogar die staatliche Rossijskaja Gaseta hatte im Frühjahr 2023 auf ihrer Website ein Video des Kriegskorrespondenten Pawel Kukuschkin veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie ein chinesischer Mann in Uniform mit dem Kommandeur der Freiwilligenbrigade Pjatnaschka per Übersetzungsapp kommuniziert. Kukuschkin behauptete, die chinesische Einheit vergrößere sich stetig.

Die Nachrichtenagentur Reuters bezifferte die Zahl chinesischer Söldner in den regulären russischen Truppen auf rund 200. Ein ehemaliger westlicher Geheimdienstmitarbeiter, der mit der Situation vertraut sei, betone, die Kämpfer seien nicht im Auftrag der chinesischen Führung unterwegs und hätten keinerlei Einfluss auf den Kampfverlauf. China versuche allerdings, Kenntnisse über taktische Kriegsführung zu gewinnen, indem Offiziere sich in der Nähe der Front ein Bild von der Lage machten. Der Kreml stritt ab, China in den russisch-ukrainischen Konflikt hineinzuziehen.

Debatte über eine Aussage des russischen Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa

In russischen Exilkreisen tobt derweil eine heftige Debatte über eine Aussage des im August vergangenen Jahres im Zuge eines Gefangenenaustauschs freigekommenen russischen Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa. Bei einem Auftritt im französischen Senat am Donnerstag vergangener Woche ging er auf die Frage ein, weshalb das russische Verteidigungsministerium so viele Vertreter nationaler Minderheiten rekrutiere.

Mit Verweis auf die Worte einer Menschenrechtlerin, die unzählige Gespräche mit Kriegsgefangenen geführt habe, könne man schließen, dass es ethnischen Russen weitaus schwerer falle, Ukrainer zu töten, als den Angehörigen der nationalen Minderheiten. »Denn wir«, sagte Kara-Mursa und meinte Russen und Ukrainer, »sind ein Volk.«

Die Leiterin der Stiftung Freies Burjatien, Aleksan­dra Garmaschapowa, bezeichnete diese Aussage auf Facebook als rassistisch. Auf Instagram kursiert ein offener Brief eines antikolonialen Zusammenschlusses mit der Forderung nach einer Entschuldigung. Andere Oppositionelle nehmen Kara-Mursa in Schutz.