Die USA ziehen sich zurück
Der Kampf gegen die Aids-Pandemie ist eine globale Aufgabe. Forschungsprojekte, Präventionsprogramme, medizinische Versorgung und Kliniken – sie alle sind international miteinander verbunden und voneinander abhängig. Derzeit zeigt sich, was für eine wichtige Rolle die USA bei dem Ganzen spielen – und was passiert, wenn sich der wichtigste Unterstützerstaat plötzlich zurückzieht.
Das hat nun auch die Berliner Charité zu spüren bekommen. Dort war im Jahr 2008 zum ersten Mal überhaupt ein Mensch von Aids geheilt worden. Erst im Juli vergangenen Jahres stellte ein Forscher:innenteam um Christian Gaebler einen weiteren Fall vor, bei dem es gelungen war, mittels Stammzelltransplantation das HI-Virus vollständig aus dem Körper zu entfernen.
Nun muss dieses Team wohl auf die jährliche Förderung im Umfang von 120.000 Euro durch die US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) verzichten. Mit den Forscher:innen war offenbar kaum kommuniziert worden. Der »Tagesschau« sagte Gaebler, er habe »keine Ahnung«, ob das bereits bewilligte Geld noch überwiesen würde: »Nicht mal die Verantwortlichen aus den NIH konnten mir das sagen.«
Das von Präsident George W. Bush ins Leben gerufene Programm Pepfar hat seit 2003 weltweit rund 120 Milliarden US-Dollar in Prävention und Behandlung von Aids investiert.
Hinter diesem Kahlschlag steht das Department of Government Efficiency (Doge), das von Elon Musk geleitet wird, dem reichsten Mann der Welt. Auf der Doge-Website werden die angeblich erzielten Einsparungen dokumentiert – wie genau diese Summen zustande kommen, lässt sich freilich kaum nachverfolgen. Dort ist ein »Agency Efficiency Leaderboard« zu sehen, also eine Rangfolge der Bereiche, die es besonders hart getroffen hat.
Auf dem ersten Platz steht das Gesundheitsministerium, das Department of Health and Human Service, zu dem auch die NIH gehören. Insgesamt 25 Milliarden US-Dollar seien durch gekündigte Verträge, weitere 33 Milliarden durch zurückgenommene Förderungen und 400 Millionen durch aufgehobene Mietvereinbarungen eingespart worden. Die aufgezählten Posten geben kaum Auskunft darüber, was konkret gestrichen worden ist.
Sicher ist nur, die Kürzungen kommen an, auch beim Kampf gegen Aids. Anfang April berichtete der, dass die US-Regierung binnen nur eines Monats mindestens 145 Forschungsprojekten zu HIV/Aids das Geld entzogen hat, im Gesamtvolumen von 450 Millionen US-Dollar. Die Auswirkungen werden international zu spüren sein. Die NIH sind die weltweit größte Förderungseinrichtung für biomedizinische Forschung. Der »Tagesschau« zufolge werden an rund der Hälfte aller deutschen Universitätskliniken wissenschaftliche Studien oder Laborforschung von den NIH mitfinanziert.
Forschung, die als »woke« gilt, wird gestrichen
Dass die Aids-Forschung zu den Bereichen zählt, die es besonders hart trifft, ist womöglich kein ganz zufälliges Ergebnis des neuen Spardiktats. Die US-Regierung hatte bereits verkünden lassen, Forschung zu streichen, die ihr als »woke« gilt. Damit kann Forschung zu Geschlecht, Sexualität und Diskriminierung gemeint sein. Die Fachzeitschrift HIV Lancet kritisierte in ihrem Editorial im April »Trumps Angriff auf die globale Gesundheitsversorgung« aufs Schärfste. Es sei Aufgabe der Aids-Bekämpfung, »die Vulnerabilität bestimmter Populationen anzuerkennen«.
Die neue US-Regierung verhängte außerdem ein Verbot von staatlicher Förderung für alle Organisationen, die Abtreibungen vornehmen oder sich auch nur für Abtreibungsrechte einsetzen. Zudem werden die Mittel für Entwicklungshilfe zusammengestrichen; auch in diesem Bereich sind die USA das mit Abstand wichtigste Geberland im weltweiten Kampf gegen die Aids-Pandemie.
Von besonderer Bedeutung ist hier der President’s Emergency Plan for AIDS Relief (Pepfar), den George W. Bush 2003 ins Leben rief. Seitdem hat Pepfar rund 120 Milliarden US-Dollar in die Behandlung und Prävention der Krankheit investiert. Dem US-Außenministerium zufolge ist das Programm für 90 Prozent der weltweiten Versorgung mit PrEP verantwortlich, also Medikamenten, die die Ansteckung mit HIV verhindern. Im vergangenen Jahr versorgte Pepfar demnach 20,6 Millionen an Aids erkrankte Menschen mit »lebensrettender Behandlung«, darunter 566.000 Kinder. Das Programm wirkt vor allem in Ländern des subsaharischen Afrika. Die neue US-Regierung hat es bereits im Januar ausgesetzt und dann nur den vorübergehenden Betrieb von Teilen des Programms weiter erlaubt. Wie es weitergeht, ist ungewiss.
Mangelhaftes Engagement der Europäischen Union
Im Gespräch mit der Jungle World zeigt sich Carsten Gehrig, stellvertretender Geschäftsführer der Aids-Hilfe Frankfurt (AHF), besorgt über die Entwicklungen in der Aids- und Gesundheitspolitik in Trumps zweiter Amtszeit. Die Einstellung von Pepfar, mögliche Zölle auf Medikamente und die von Trump geplante Entlassung aller Mitglieder des Beratungsgremiums zu HIV/Aids seien fatal. »Sollte sich diese Politik fortsetzen, riskieren wir, dass jahrzehntelange Fortschritte im Kampf gegen HIV/Aids zunichte gemacht werden«, meint Carsten Gehrig.
Der Ausfall der USA offenbart auch das mangelhafte Engagement beispielsweise der Europäischen Union. Deren Beiträge zur Bekämpfung von Aids lassen sich eher im Millionen- statt im Milliardenbereich beziffern. 2022 etwa präsentierte die EU-Kommission stolz einen globalen Fonds von 715 Millionen Euro gegen Aids, Tuberkulose und Malaria – ein verschwindend geringer Betrag im Vergleich zu Pepfar.