Homestory #17/2025
Wer zum Thema Antisemitismus recherchiert und gegen ihn Stellung bezieht, macht sich nicht nur Freunde. Das hat vor einigen Tagen erneut der britische Journalist Nicholas Potter erfahren, gegen den bereits seit Monaten eine wüste Kampagne in den sozialen Medien läuft. Er arbeitet mittlerweile als Redakteur für die Taz, dürfte treuen Leserinnen und Lesern aber auch als Autor der Jungle World bekannt sein.
Fahndungsplakat gegen Nicholas Potter
Vor einem Jahr nahm er an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel »About Antisemitismus – A lack of empathy?« im Berliner Club »About Blank« teil, die die Jungle World zusammen mit der Amadeu-Antonio-Stiftung veranstaltete und die einige Hundert Zuhörer anlockte, ebenso wie etwa 20 Leute, die gegen die Diskussion demonstrierten. Jüngst veröffentlichte Ihre Lieblingszeitung einen Nachdruck aus dem Buch »Judenhass Underground«, das er zusammen mit Stefan Lauer herausgegeben hat.
Vorige Woche ließ sich in Berliner Straßen eine Art Fahndungsplakat gegen Nicholas Potter bestaunen. Medienberichten zufolge fanden sich auf dem Plakat mit der Überschrift »Wanted« sein Konterfei, der Slogan »From the river to the sea« sowie die grammatikalisch gewagten Sätze: »Lasst uns denjenigen, die den Völkermord in Palästina ideologisch ermöglichen keine Sekunde der Sicherheit gönnen. Sie kommen in unsere Stadt und glauben, keiner würde sie zur Rechenschaft ziehen. Sie sind normale Menschen die bluten wie jeder andere auch und sie können erniedrigt und eliminiert werden.« Das Ganze auch auf Englisch und Arabisch.
Dass man nicht wie der erstbeste dahergelaufene Nazi seine politischen Gegner als Ungeziefer bezeichnet und dass Vergewaltigungen nichts mit emanzipatorischem Widerstand zu tun haben, das waren vor dem 7. Oktober Basisbanalitäten von Feministinnen und Linken.
Die Freunde von Erniedrigung und Eliminierung, a. k. a. Mord und Totschlag, die für dieses Plakat verantwortlich sind, stammen offenbar aus der aktivistischen Szene, die fälschlich als »propalästinensisch« bezeichnet wird, de facto aber Hamas-Positionen vertritt. Davon zeugt ihr Wunsch, Palästina »from the river to the sea« zu »befreien«, wie es in der Hamas-Charta festgelegt ist. Davon zeugt ihr großzügiger Gebrauch der roten Dreiecke, die die Hamas zur Feindmarkierung zwecks Eliminierung benutzt, beispielsweise bei der Besetzung eines Raums der Humboldt-Universität vorige Woche. Davon zeugt die systematische Leugnung der Massaker und Vergewaltigungen vom 7. Oktober 2023, oft mit fein ziselierter Rhetorik wie bei einer Gaza-Demonstration in Berlin Ende März, auf der ein Typ mit Pali-Tuch und Lederjacke ins Mikrophon brüllte: »Entfernen Sie diese dreckige Ratte!«
Gemeint war damit eine Frau, die am Rande der Demo ein Schild mit der Aufschrift »Rape is not resistance« in die Höhe hielt. Dass man nicht wie der erstbeste dahergelaufene Nazi seine politischen Gegner als Ungeziefer bezeichnet und dass Vergewaltigungen nichts mit emanzipatorischem Widerstand zu tun haben, das waren vor dem 7. Oktober Basisbanalitäten von Feministinnen und Linken. Aber das ist lange vorbei. Nun dominiert in jener Szene der Wunsch nach Erniedrigung und Eliminierung.
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Aufgrund des Feiertags am 1. Mai erscheint die kommende Ausgabe bereits am 30. April.