01.05.2025
Neonazis, Identitäre und andere Faschisten machen aus ihrer Gesinnung ein Geschäft

Rechtsextreme Ich-AGs

Durch das Internet sind viele Kader der rechtsextremen Szene zu Kleinunternehmern geworden, die sich vermarkten und Online-Shops betreiben.

Bei der AfD hat sich im vergangenen Jahrzehnt eine Art finanzieller Trickle-down-Effekt eingestellt. Die immer besseren Wahlergebnisse spülen immer mehr Geld in ihre Kassen, und davon profitiert die rechtsextreme Szene insgesamt. Zunächst gibt es die staatliche Parteienfinanzierung, die sich nach der Zahl der Wählerstimmen richtet. Hinzu kommen die Diäten der Abgeordneten sowie die beträchtlichen Summen für deren Mitarbeiter. Die Mittel, die durch die Parlamentsfraktionen generiert werden, seien für die AfD »neben privaten Spenden eine Haupteinnahmequelle«, urteilte schon 2023 eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung.

Die AfD hat nämlich vergleichsweise wenige Mitglieder – knapp über 50.000. Die Grünen haben derzeit etwa 125.000, die Linkspartei hat um die 100.000 Parteimitglieder. Da fallen die 285 AfD-Mandate in den Landtagen und die nun 152 AfD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag stärker ins Gewicht. Sie können nun Aktivisten aus dem identitären Milieu und den rechtsnationalen Burschenschaften mit Mitarbeiterstellen in den Parlamenten versorgen. Als ein Beispiel unter vielen kann der »langjährige Neonazi« (Welt) und rechtsextreme Autor Benedikt Kaiser dienen, den der AfD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl 2023 als wissenschaftlichen Mitarbeiter anstellte, inklusive Büro im Bundestag.

Der ehemalige Bundesvorsitzende der Partei »Die Heimat«, Frank Franz, betreibt eine Website unter dem eigenen Namen, die vor allem einen Internetshop beherbergt.

Natürlich hat die rechtsextreme Szene noch andere Einnahmequellen. Schon in den neunziger Jahren konnte sich die Szene durch Rechtsrock-CDs und Merchandise sowie durch Konzerte gut finanzieren. Nicht wenige Kader wirtschaften sich hohe Summen in die eigene Tasche. In jüngster Zeit wurden die Geschäftsfelder diversifiziert. Die Produktpalette reicht bis zum Proteinpulver, das beispielsweise unter dem Label »Defender Protein« vom Patria-Laden vermarktet wird. Der Versandhandel bezeichnet sich auf Instagram als der »offizielle Materialversand der Jungen Alternative Deutschland«, der kürzlich aufgelösten Jugendorganisation der AfD.

Ein anderes Beispiel ist das rechtsextreme Unternehmen Balaclava Graphics aus Bautzen, das Video- und Graphikdienstleistungen anbietet. Oder Peter Wörner, Reichsbürger und Terrorverdächtiger im Fall der sogenannten Reuß-Gruppe, der sich bis zu seiner Verhaftung als Survival-Trainer zu etablieren versuchte, bei dem man lernen konnte, wie man nach dem Kollaps der Gesellschaft überleben kann.

Viele Führungspersonen der Szene haben Probleme, lange einen Arbeitsplatz zu behalten, denn es besteht immer die Gefahr, durch ein Outing die Anstellung verlieren. Stattdessen versuchen einige rechtsextreme Kader, sich als Kleinunternehmer zu etablieren. Oft sind diese rechtsextremen Ich-AGs kaum von Influencern zu unterscheiden: Sie machen sich selbst zur Marke und zeigen Dauerpräsenz in sozialen Medien, auf Youtube und Streaming-Plattformen. Ständig werben sie dabei um Spenden.

Geschäftsmodell eines Influencers

Der erfolgreichste unter ihnen ist wohl der Österreicher Martin Sellner von der Identitären Bewegung. Mit geringerem Erfolg versucht der ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende der Partei »Die Heimat«, Sebastian Schmidtke, nachdem er es zunächst mit Survival-Shops probiert hatte, das Geschäftsmodell eines Influencers zu adaptieren. Für seinen Youtube-Kanal filmt er sich beim Wandern im Wald, gibt Tipps für »Krisenvorsorge« oder dafür, wie man einen Atomangriff überlebt.

Leute wie Schmidkte versuchen offenbar, einen alltagsgeeigneten rechtsextremen Lifestyle zu vermarkten. Man kann dem Influencer beim Wandern und am Lagerfeuer zuschauen, dazu gibt es ein fröhliches Lied und anschließend ein Interview mit einem Rechtsextremen aus Schweden. In seinem Zweitkanal veröffentlicht Schmidtke gemeinsam mit dem Youtuber »Weichreite« Live-Aufnahmen von antifaschistischen Demonstrationen und kommentiert diese. Nicht nur die Klicks bei Youtube bringen Geld ein – zusätzlich wird um Spenden gebeten. Propaganda und kommerzielle Interessen gehen Hand in Hand.

Der ehemalige Bundesvorsitzende von »Die Heimat«, der Saarländer Frank Franz, betreibt eine Website unter dem eigenen Namen, die vor allem einen Internetshop beherbergt. Dort kann die braune Kundschaft neben rechtsextremer Publizistik auch Wandbilder mit romantisierten Naturmotiven erstehen. Zu jeder Bestellung im Shop legt Franz eine Grußkarte mit persönlicher Widmung bei.

Ratschläge im »Plauderstrom«

Als wichtigstes Werkzeug der Selbstvermarktung gilt dabei neben dem Microblogging-Dienst X das Videoportal Youtube. In seinem »Plauderstrom«, wie Franz seine regelmäßigen Streams nennt, gibt sich der Rechtsextreme nahbar und verteilt Ratschläge an seine Zuschauer, etwa in Sachen klassischer Herrenmode.

In puncto Klickzahlen kann Franz auf Youtube jedoch kaum mithalten mit den zahlreichen neuen rechtsextremen content creators. Deren Kanäle haben zum Teil deutlich über 200.000 Abonnenten. Sie heißen »Eingollan«, »Clownswelt« oder »Schlomo Finkelstein« – Letzterer sitzt der Jungen Freiheit zufolge derzeit wegen Volksverhetzung und Beschimpfung von Religionsbekenntnissen im Gefängnis. Einige von ihnen verkaufen T-Shirts und dergleichen in dem Online-Shop »Unwoked« – »der offizielle Merchandise vieler, basierter Creator« (sic). »Basiert« ist eine Übersetzung des englischen Slangworts »based«, das früher mal so viel wie »cool« bedeutete und heute von Rechtsextremen als Selbstbezeichnung verwendet wird.

Die informellen Netzwerke, die sich in den vergangenen Jahren etabliert haben, orientieren sich an aktuellen Trends, versuchen aber auch, selbst welche zu setzen, wie das Beispiel der »Ostmullen« kürzlich zeigte: ein Tiktok-Trend, bei dem junge Frauen Lieder mit rechtsextremen Texten singen.

Dass die AfD in den sozialen Medien relativ erfolgreich ist und dort viele junge Leute erreicht, geht auch auf all diese rechtsextremen Influencer zurück. Die informellen Netzwerke, die sich in den vergangenen Jahren etabliert haben, orientieren sich an aktuellen Trends, versuchen aber auch, selbst welche zu setzen, wie das Beispiel der »Ostmullen« kürzlich zeigte: ein Tiktok-Trend, bei dem junge Frauen Lieder mit rechtsextremen Texten singen. Martin Sellner bezeichnete das als »massiven metapolitischen Dammbruch«.

Der österreichische Berufsjugendliche versucht seit langem, eine rechtsextreme Jugendkultur herbeizureden. Entstanden ist inzwischen zumindest ein geschäftliches Netzwerk. Erst kürzlich gewann Frank Franz einen von Martin Sellner veranstalteten Meme-Wettbewerb auf X. Die ausgelobten Preise stammten allesamt von rechtsextremen Unternehmen – auch dem von Franz selbst: Proteinpulver von der Jungen Alternative, ein Gutschein vom Frank-Franz-Shop und ein »Free Shlomo«-Shirt vom »Unwoked«-Shop.