08.05.2025
Maria und Luise, zwei Mitarbeiterinnen von Antigewaltprojekten, im Gespräch über ihren Streik und den Kampf gegen Femizide

»Es gab allein im April drei Femizide in Berlin«

Ein Bündnis aus Mitarbeiterinnen der Antigewaltprojekte in ­Berlin legte am 30. April die Arbeit nieder und protestierte vor dem Rathaus Tiergarten. Die »Jungle World« war dabei und sprach mit ­Maria und Luise*, zwei der Organisatorinnen, über die Gründe für die Aktion.

Warum seid ihr heute hier?
Maria: Heute sind wir hier wegen eines Vorfalls am 10. April. An diesem Tag wurde in Moabit ein Auto wegen verdächtigen Fahrverhaltens angehalten. Die Polizei fand auf dem Beifahrersitz eine ohnmächtige Frau vor. Es wurde ein Krankenwagen gerufen, aber jede Rettung kam zu spät. Die Obduktion ergab, dass die Frau stranguliert worden war. Der Fahrer (ihr Ex-Partner; Anm. d. Red.) war zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle schwer alkoholisiert.

Was ist das Ziel dieser Protestaktion?
Maria: Das Bündnis protestiert, weil wir es uns als Mitarbeiterinnen der Berliner Antigewaltprojekte zur Aufgabe gemacht haben, uns mittwochs möglichst nach jedem Femizid vor dem Rathaus des jeweiligen Bezirks zu treffen, in dem die Frau getötet wurde, um ihrer zu gedenken. Wir wollen unsere Trauer und unser Entsetzen zum Ausdruck bringen: Jeder Femizid ist un­erträglich. Und wir wollen politische Aufmerksamkeit erregen und unsere Forderungen ­aussprechen.
Luise: Auch heute haben wir wieder gemerkt, dass es wichtig ist, in den unterschiedlichen ­Bezirken präsent zu sein. Es gab heute zwei, drei Personen hier, die erzählt haben, dass sie in diesem Bezirk leben und nicht einmal mitbekommen haben, dass hier ein Femizid stattgefunden hat.

»Bundesweit waren es in diesem Jahr bislang 27 Femizide. Zusätzlich gehen wir natürlich auch von einer Dunkelziffer aus.«

Wie viele Femizide gab es bereits in diesem Jahr?
Maria: Es gab allein im Monat April drei Femizide in Berlin, bundesweit waren es in diesem Jahr bislang 27. Zusätzlich gehen wir natürlich auch von einer Dunkelziffer aus. Es ist nicht immer möglich, gleich am folgenden Mittwoch eine Kundgebung anzumelden, wenn an diesem Datum bereits ein Gedenken zu einem Femizid aus der vorherigen Woche geplant ist. Da wir jetzt zum Beispiel gerade hier sind, können wir »erst« nächste Woche in Neukölln sein …

 … wo am 18. April ebenfalls eine Frau von ihrem Ex-Partner ermordet worden ist. Wie ist die Situation in euren Arbeitsbereich?
Luise: Wir haben allein in Berlin 466 fehlende Frauenhausplätze, das ist seit Jahren bekannt. Wir machen immer wieder darauf aufmerksam, dass Schutzplätze fehlen. Allein in den Häusern müssen wir wahnsinnig viele Frauen abweisen. Es ist ein riesiges Problem, das auch schwer auszuhalten ist. Und wir reden nur von den Frauen, die uns erreichen. Es gibt viele, die nicht einmal wissen, wo sie sich hinwenden sollen.
Maria: Ich bin Mitarbeiterin in einer Fachberatungsstelle für Frauen und Flinta*, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Wir sind teilweise so in Zeitnot, dass wir Termine erst in drei, manchmal vier Wochen vergeben können, und wirklich schon im Ersttelefonat abfragen: »Wie akut ist das gerade?« Wenn wir es mit besonders dringenden Fällen zu tun haben, wie beispielsweise beim Gewaltschutz, dann müssen wir Termine vorziehen. Aber sogar das ist nicht immer möglich.

Was wünscht ihr euch für die Demonstrationen?
Luise: Es ist wichtig, dass wir mehr werden, dass das Problembewusstsein in allen gesellschaftlichen Kreisen wächst und wir so ganz unterschiedliche Leute erreichen, die etwas verändern können. Auf diesen Veranstaltungen sollten nicht immer nur dieselben Leute stehen.

* Namen von der Redaktion geändert