15.05.2025
Leere Rituale, antifaschistische Geschmacklosigkeiten

Pasta antifascista

Das Gedenken an die Shoah ist zu einem leeren Ritual verkommen und der Antifaschismus in ehemaligen Berliner Szenevierteln erschöpft sich in kindischen Festivitäten.

Die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung vom National­sozialismus sind vollständig zu ritualisiertem Brimborium verkümmert, bei welchem das sogenannte Gedenken meist nur noch ein ebenso automatisch wie gleichgültig verrichteter Akt ist, nicht selten aus dem einzigen Grund vollzogen, weil es von den Opferverbänden und vom Ausland erwartet wird: Wir sehen bei den immer gleichen Kranzniederlegungen zu und hören Redebeiträge, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie hundertfach gehörte Phrasenkataloge sind.

Wichtig ist, dass die »Tagesschau« abends die handelsüblichen Bilder senden kann: der Finanzindustrielobbyist Friedrich Merz mit Dackelblick, der Foodblogger Markus Söder im schwarzen Anzug und ausnahmsweise mal ohne Bratwurst in der Hand.

Auch unter Leuten, die sich für Linke halten, schreiten der An­alphabetismus, die Verblödung und die Geschichtsvergessenheit munter voran und die Angewohnheit, sich hauptsächlich via Tiktok und Instagram zu informieren, hat epidemische Ausmaße angenommen.

Die ganze Choreographie wird – zumindest was die beteiligten Politiker angeht – abgespult mit aufgesetzten Betroffenheitsmienen und hängenden Köpfen, während man nach Beendigung der Gedenkfeierlichkeit wieder händeschüttelnd zwischen feixenden AfD-Funktionären herumsteht und deren geschichtsrevisionistische und revanchistische Politik akzeptiert.

Gerade weil das Gedenken an die Shoah nur noch als Pflichtveranstaltung absolviert und gleichzeitig die Verbrechen der Deutschen relativiert werden, indem man auch die deutschen Täter zu Opfern umlügt (»Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft«), wäre es umso wichtiger, sich am 8. Mai, dem Tag des Sieges der Alliierten über Hitler-Deutschland, in einem antifaschistischen ­Engagement zu üben, dem es darum zu tun ist, den Sinn und die Notwendigkeit eines Gedenkens an die nationalsozialistischen Verbrechen zu betonen und daran zu erinnern, von wem diese begangen wurden und wer genau die Opfer waren.

Seit jedoch auch unter Leuten, die sich für Linke halten, der An­alphabetismus, die Verblödung und die Geschichtsvergessenheit (»Free Palestine from German guilt«) munter voranschreiten und die Angewohnheit, sich hauptsächlich via Tiktok und Instagram zu informieren und außer Chat-Nachrichtengestammel nichts mehr zu lesen, selbst unter sich als kritisch verstehenden Menschen epidemische Ausmaße angenommen hat, hat sich auch das antifaschistische Gedenken infantilisiert: In Berlin hatte die Initiative »Ostkreuz bleibt bunt« für den 8. Mai zum »großen Straßenfest« eingeladen und ein »buntes Programm mit Musik, Workshops, (…) Spiel- und Bewegungsangeboten für Kinder sowie Mitmach-Angebote für alle Altersgruppen« organisiert.

Fröhliche Eventisierung des Gedenkens

Nicht völlig ausgeschlossen, dass Hüpfburgen und Kinderschminken auch im Angebot waren und im bunten Programm eifrig jongliert oder getrommelt wurde, während auf der Bühne nebenan die Namen der Deportierten vorgelesen wurden.

Die fröhliche Eventisierung des Gedenkens an die Befreiung vom Faschismus zeigte sich dieses Jahr auch daran, dass im einstmals »alternativen« Kreuzberg, an dem erkennbar die Gentrifizierung der letzten 25 Jahre nicht spurlos vorübergegangen ist, selbst die­ ­öffentliche Zubereitung und der gemeinschaftliche Verzehr eines Nudelgerichts zu einem antifaschistischen Akt stilisiert wurde: »In Kreuzberg wird Pasta als Symbol gegen den Faschismus gekocht. Das Kreuzberger Künstler*innen-Management Beat The Rich! orga­nisiert von 16 bis 20 Uhr ein gemeinsames Pastakochen auf dem Oranienplatz.«

Man wolle, sagen die Veranstalter, so »ein Zeichen gegen den Faschismus setzen«. Man fühlt sich an jene Friedensgruppen erinnert, die Anfang der achtziger Jahre meinten, sie könnten den Nato-Doppelbeschluss durch das gemeinschaftliche Häkeln von Topflappen verhindern.

»Hinter dem Faschismus steht das Kapital, Spaghetti Bolognese ist international!«, »Grappa, Espresso, Wasserdampf! Auf zum Anti-Nazi-Kampf!«, »Alerta, alerta, Antipasti!«

Wer glaubt, mit symbolischem Nudelverspeisen »gegen den Faschismus« (»Pasta antifascista«) etwas ausrichten zu können, und meint, es sei wurscht, ob der Kampfruf »Ja, Parmesan!« lautet oder »No pasarán!«, bei dem hat die Postmoderne im Kopf ganze Arbeit geleistet. »Wir bieten vor Ort begrenzte Kochmöglichkeiten, bringt also auch Eure Campingkocher und Töpfe mit.«

Hier wären weitere Parolenvorschläge für den revolutionären Nudelkampf: »Hinter dem Faschismus steht das Kapital, Spaghetti Bolognese ist international!«, »Grappa, Espresso, Wasserdampf! Auf zum Anti-Nazi-Kampf!«, »Alerta, alerta, Antipasti!«, »Lasst Faschisten nicht in Ruh’, heute gibt’s Tiramisu!«