Ein Hooligan will Präsident werden
Es ist ein deutlicher Sieg: Die erste Runde der rumänische Präsidentschaftswahl am 4. Mai hat George Simion mit 41 Prozent gewonnen. Beschrieben wird er wahlweise als Ultrarechter, Rechtspopulist, Ultranationalist, Postfaschist, rumänischer Donald Trump oder Rechtsextremist.
Simion hatte seine Karriere als Fußball-Hooligan der rumänischen Nationalmannschaft begonnen. In diesen Kreisen wird regelmäßig die ungarische Minderheit zum Feind erklärt, die sechs Prozent der Bevölkerung ausmacht. Simion fiel zudem dadurch auf, dass er öffentlichkeitswirksam für den Anschluss Moldaus an Rumänien agitierte. In Moldau kam das weniger gut an, weswegen er dort bis heute nicht einreisen darf. Auch die Ukraine hat Simion ein Einreiseverbot wegen »systematischer antiukrainischer« Aktivitäten erteilt.
Der Durchbruch kam für Simion und seine Partei mit der Covid-19-Pandemie. Die Partei protestierte gegen die Maßnahmen, provozierte im Parlament und baute eine Anhängerschaft in den sozialen Medien auf.
Dass ihm mit seiner 2019 gegründeten Partei AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen) gleich ein Jahr später der Einzug ins Parlament gelang, wurde in der Öffentlichkeit nicht allzu schwer genommen, schließlich lag dies im europäischen Trend und hatte keinen unmittelbaren Einfluss auf die Regierungsbildung.
Der Durchbruch kam für die AUR und Simion mit der Covid-19-Pandemie. Die Partei protestierte gegen die Maßnahmen, provozierte im Parlament und baute eine Anhängerschaft in den sozialen Medien auf. Dabei griff sie die Wut der Maßnahmengegner auf – ihre feste Gefolgschaft wirkte wie eine Mischung aus Querdenkern und Identitären.
Dann kam die Präsidentschaftswahl 2024. Nachdem überraschend der parteilose und putinfreundliche Rechtsextreme Călin Georgescu die erste Runde gewonnen hatte, annullierte das Verfassungsgericht den Wahlgang aufgrund russischer Beeinflussung und setzte die Wahl neu an. Hiervon profitierte am Ende die AUR. Zum einen waren sie und andere rechte Parteien bei der parallel zur Präsidentschaftswahl stattfindenden Parlamentswahl sehr erfolgreich und gewannen insgesamt 115 von 331 Sitzen im Unterhaus; zum anderen verbot das Verfassungsgericht Georgescu, bei der neu angesetzten Wahl anzutreten, genauso wie der rechtsextremen Diana Șoșoacă, die seit Juli 2024 EU-Abgeordnete ist und zuvor Senatorin war.
Freie Bahn für Simion
So hatte Simion freie Bahn. Ihm gelang es offenbar nicht nur, Georgescus Wähler hinter sich zu bringen, er verdoppelte dessen Ergebnis sogar nahezu. Simions liberaler Herausforderer Nicușor Dan, der parteilose Bukarester Bürgermeister, kam dagegen lediglich auf 21 Prozent der Stimmen. Beobachter hatten bereits vorausgesagt, dass Simion die erste Runde gewinnen würde, weil das liberale Lager sich auf verschiedene Kandidaten aufteilte, doch nun ist auch sein Sieg in der Stichwahl am 18. Mai wahrscheinlich geworden. In einer Umfrage des rumänischen Meinungsforschungsinstituts Inscop vom 7. Mai lag Simion vier Prozentpunkte vor Dan.
Auch vorherige Umfragen zeigten: Die Wähler der anderen liberalen, EU-freundlichen Kandidaten gehen nicht geschlossen zu Dan über. Eine starke Tendenz zur Einigkeit gegen die extreme Rechte gibt es weder bei diesen Wählern noch bei den Parteien der Mitte und der Linken. Zwar fanden am 9. Mai in Bukarest und einigen anderen Großstädten Demonstrationen »für Europa« und für den Erhalt der Demokratie statt und auch die bürgerlichen Parteien stellen sich klar gegen Simion.
Doch die postkommunistische Sozialdemokratie weigert sich, eine Wahlempfehlung zu geben. Ihre Minister haben nach der ersten Wahlrunde die Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten, Liberalen und der Partei der ungarischen Minderheit verlassen, der sozialdemokratische Ministerpräsident Marcel Ciolacu hat seinen Rücktritt erklärt. Die Partei ist weiterhin latent von der autoritär-nationalistischen Tradition des früheren neostalinistischen Diktators Nicolae Ceaușescu geprägt.
In Zukunft keine Parteien mehr?
Und selbst unter den Simion verhassten Ungarn ist die Sache nicht ausgemacht. Die im Parlament vertretene Sammelpartei Demokratische Union der Ungarn in Rumänien (UDMR) ruft dazu auf, Simion zu verhindern. Auch die katholische Kirche und traditionelle protestantische Kirchen, in denen ethnische Ungarn die Mehrheit des Klerus und der Gläubigen stellen, halten diese an, für Demokratie und gegen Extremismus zu stimmen.
Doch von jenseits der Grenze mischt sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ein – ironischerweise, indem er verkündet, sich nicht einzumischen –, und bekundet, er wolle mit jedem Gewinner der Wahl zusammenarbeiten und eine etwaige Sanktionierung Rumäniens in der EU verhindern. Simion verstand diese wohlwollende Neutralität sofort und bedankte sich auf X für die Unterstützung. Da Orbán und seine Partei Fidesz unter den Ungarn in Rumänien eine sehr treue Anhängerschaft haben, kann Simion selbst unter seinen erklärten Feinden auf Wähler hoffen.
Sollte Simion Präsident werden, können sich sowohl Rumänien als auch die EU auf einiges gefasst machen. Simion hat angekündigt, den von der Wahl ausgeschlossenen Georgescu zum Ministerpräsidenten zu machen. Dafür werde er alle Hebel in Bewegung setzen, falls notwendig auch durch Neuwahlen. Während Simion bekennt, dass er vieles von Orbán übernehmen möchte, kursieren von Georgescu Videos, in denen zu sehen ist, wie er davon gesprochen hat, dass es in Rumänien in Zukunft keine Parteien mehr geben solle.
Während Simion offen faschistische Kommentare vermeidet, haben seine Parteikollegen die Anführer des rumänischen Faschismus der dreißiger und vierziger Jahre zu Helden erklärt.
Eine Parlamentarierin der rechtsextremen Partei der jungen Menschen (POT), die Georgescu 2024 unterstützt hatte, hat Journalisten prophezeit, dass sie bald »nicht mehr da« sein würden, und dann darüber spekuliert, wie ein Mediensystem geschaffen werden könnte, in dem die Medien vom Staat direkt kontrolliert werden.
Während Simion in der Öffentlichkeit offen faschistische Kommentare vermeidet, haben sowohl Georgescu als auch führende AUR-Politiker immer wieder die Anführer des rumänischen Faschismus der dreißiger und vierziger Jahre zu Helden erklärt. Sollte Simion am kommenden Sonntag tatsächlich gewinnen, wird sich zeigen, ob er »nur« ein Rechtspopulist vom Schlage eines Orbán ist oder ein waschechter rechtsextremer Diktator werden will.