»Freud gilt einfach als überholt«
Ihr Buch trägt den Titel »Verwendung von Freud«. Was meinen Sie damit?
Die Formulierung ist doppeldeutig. Man kann sie technisch verstehen und danach fragen, wer Freud wie und wofür verwendet. In der »Verwendung« kann man aber auch die Umwendung hören, das Umdrehen. Darum geht es mir eher. Es gibt schließlich die Möglichkeit, einen Text seiner üblichen Verwendung zu entwenden und ihn in seinen Bedeutungen neu auszurichten.
Für welche Themenbereiche ist es besonders interessant, nach der Verwendung von Freud in diesem doppelten Sinn zu fragen?
In meiner Beschäftigung mit der Verwendung Freuds bin ich von bestimmten Historisierungen ausgegangen. Der US-amerikanische Literaturwissenschaftler David M. Halperin hat Michel Foucaults These, dass nicht nur der Homosexuelle eine Erfindung des 19. Jahrhunderts sei, sondern die Sexualität überhaupt, ausgearbeitet und modifiziert und nach Begehrensformen und -bedingungen der Vormoderne gefragt.
Freud ist ein Erbe dieser Entwicklung. An einem bestimmten Punkt der Entwicklung einer Vorstellung vom Sexualtrieb steht Freud, der die neuen Begrifflichkeiten aufgreift und sie in einer spezifischen Weise verwendet. Eine Frage, die in diesen Diskussionen über männliche Homosexualität mitschwingt, ist die nach der Weiblichkeit, die ich dann als eine eigene Frage stellen wollte und die die feministische Rezeption der Psychoanalyse mit Nachdruck und immer wieder gestellt hat.
»Freuds Text ist ein Text, der sich widerspricht und der eine Bereitschaft zeigt, sich zu widersprechen. Das ist ein sehr moderner Zug.«
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