15.05.2025
Noch ein Musiker:innenbuch – Sophie Hungers »Walzer für Niemand«

Wumms im Kreißsaal

»Walzer für Niemand«, der Debütroman der Schweizer Musikerin Sophie Hunger, wirkt wie eine lange Improvisation über ihren gleichnamigen Song von 2010.

»Walzer für Niemand«, der Debütroman der Schweizer Musikerin Sophie Hunger, beginnt mit der Erinnerung an einen Klang. Es ist das »kränkende Geräusch«, das die Geburtszange verursacht haben soll, als sie aus dem Mutterleib geborgen wird, um anschließend wie ein »nasser, gelber Fisch« allein auf dem Wickeltisch zu liegen. Von diesem Erschrecken der 1983 in Bern geborenen Hunger bis zum Moment der Erinnerung daran nach einem Konzert im Pariser »Bataclan« 2007, das ihren Durchbruch markiert, spannt die Erzählerin den Bogen.

Es geht ihr um nicht weniger als die Frage: »Wie kommt man in die Welt?« Auch wenn der Vorspann behauptet, die Figuren, Handlungen und Ereignisse seien fiktiv, dreht sich die Coming-of-Age-Geschichte eindeutig um das Werden der Kunst­figur Hunger selbst.

Auch wenn der Vorspann behauptet, die Figuren, Handlungen und Ereignisse seien fiktiv, dreht sich die Coming-of-Age-Geschichte eindeutig um das Werden der Kunst­figur Hunger selbst.

Dieses wird allerdings nicht als Autofiktion nacherzählt, sondern als eine Fabel, die von einer kindlich absoluten besten Freundschaft erzählt, die in ihrer Ausschließlichkeit überwunden werden muss, um bei sich selbst anzukommen. Erst als Niemand, so heißt der Begleiter durch Kindheit und Jugend, sie verlässt, kann die wehrhafte Bergbewohnerin, als die Hunger sich stilisiert, von den »tausendsiebenhundert Metern« Höhe, auf denen sie geboren wurde, »ins Unterland hinab, zum zweiten unentbehrlichen Akt« gelangen.

Neben Betrachtungen über die Tyrannei des Geschichtenerzählens mit ihrem Vorher und Nachher und die Einzigartigkeit in Töne gespeicherter, wiederholbarer Augenblicke webt sie vielfache Bezüge auf eigene und fremde Songs in ihren im besten Sinne komponierten Text.

Während man sich bei vielen Musiker:innenbüchern fragt, ob es nötig sei, auch diese noch in ihrem Narzissmus dem sowieso überbordenden Buchmarkt hinzuzufügen, wirkt Hungers schriftstellerischer Erstling wie eine lange Improvisation über ihren gleichnamigen Song von 2010. Damit reiht er sich in das vielseitige Werk der Künstlerin ein.


Buchcover

Sophie Hunger: Walzer für Niemand. Kiepen­heuer & Witsch, Köln 2025, 192 Seiten, 22 Euro