22.05.2025
Albanien ist bei der Flüchtlingsabwehr ein verlässlicher Partner der EU

Autoritär, aber verlässlich

Mit dem Versprechen, Albanien in die EU zu führen, gelang dem Ministerpräsidenten Edi Rama seine dritte Wiederwahl. Für dieses Ziel dient sich Albanien als Rückführungszentrum für unerwünschte Flüchtlinge an.

Als am 11. Mai die Wahllokale in Albanien schlossen, war schnell klar, wer der Sieger war. Dem seit 2013 immer autoritärer regierenden Ministerpräsident Edi Rama ist eine vierte Amtszeit sicher, da seine Sozialistische Partei (PS) mit 52,3 Prozent die absolute Mehrheit gewann und im nächsten Parlament 83 von 140 Abgeordneten stellen wird. Damit konnte sie ihren Vorsprung vor der konservativen Demokratischen Partei (PD) ausbauen, mit der sie seit den neunziger Jahren erbittert um die Macht in Albanien konkurriert. Lag die PD bei der vorangegangenen Parlamentswahl 2021 noch knapp zehn Prozentpunkte hinter der PS, hat sich der Abstand nun verdoppelt.

Die Konservativen erhielten nur noch knapp 34 Prozent der Stimmen. Gegen diesen Absturz half auch nicht, dass die Partei den US-Amerikaner Chris LaCivita als Kampagnenberater beschäftigte, der schon Donald Trumps Wahlkampf 2024 gemanagt hatte. Durch ihn und den Wahlkampfslogan »Make Albania Great Again« sollte Trumps Triumph auf ihren Spitzenkandidaten Sali Berisha abfärben.

Unterstützung aus der EU

Rama ist nun in einer Position, die es ihm erlaubt, seine Macht weiter zu festigen. Im Parlament fehlt der PS nur eine Stimme zur Dreifünftelmehrheit, die es braucht, um die Wahlgesetze zu ändern. Dieser Erfolg ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Zum einen war die Wahlbeteiligung mit 42 Prozent die niedrigste seit dem Ende des Realsozialismus. Die Kontrolle der PS über die Verwaltung und ihr tief verwurzelter Klientelismus führten dazu, dass viele Angehörige des öffentlichen Diensts für die Regierungspartei stimmen. Zudem war in den Medien die PS überproportional präsent, vor allem mit ihrem Wahlversprechen, Albanien in die EU zu führen. Angesichts dessen, dass ein Großteil der albanischen Familien vom Einkommen emigrierter Angehöriger in der EU abhängig ist, ist das für viele eine existentielle Frage.

Rama erhält in dieser Frage auch Unterstützung aus der EU. Wenige Tage nach der Wahl sagte António Costa, der Präsident des Europäischen Rats, bei einer Pressekonferenz anlässlich eines Besuchs in Tirana: »Wenn Albanien weiterhin in gleichem Maße Leistungen erbringt, ist es durchaus möglich, der Europäischen Union vor 2030 beizutreten.« Damit wird trotz der erheblichen Korruption und des sich verstärkenden Autoritarismus eine Politik belohnt, mit der Rama sich als Garant der Stabilität auf dem südlichen Balkan geriert. Vor allem seine Unterstützung bei der Abwehr von Migrant:innen, die über den Balkan nach Italien oder nach Norden ziehen, ist derzeit für die EU von Bedeutung.

Aber nicht nur für diese. Wenige Tage nach der Wahl besuchte der britische Premierminister Keir Starmer Albanien. Der erste offizielle Staatsbesuch eines britischen Regierungschefs in Albanien diente dazu, die Kooperation auf dem Gebiet der Sicherheits- und Migrationspolitik zu vertiefen. Zwar ist das Abkommen zwischen Italien und Albanien, wonach Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer aufgegriffen werden, für die Dauer ihres Asylverfahrens in Albanien interniert werden sollen, aufgrund italienischer Gerichtsentscheidungen derzeit suspendiert, gleichwohl betrachtet man es in London mit Interesse. Nach dem Scheitern eines ähnlichen Projekts in Ruanda unter den britischen Vorgängerregierungen kann man sich dort vorstellen, ähnliches mit Albanien zu versuchen. Noch lehnt Rama ab. Dahinter dürfte jedoch vor allem der Versuch stehen, den Preis für ein derartiges Abkommen hochzutreiben.

Bemerkenswert ist das Ergebnis einer Kleinstpartei: Zum ersten Mal zieht die Lëvizja Bashkë mit einem Abgeordneten ins Parlament ein. Die Partei ging 2022 aus der linken Gruppe Organizata Politike hervor.

Neben den beiden großen Parteien PS und PD zogen vier kleinere Parteien in das Einkammerparlament ein. Die mit der PS kooperierende Sozialdemokratische Partei (PSD) gewann drei Sitze, die 2024 von der PD abgespaltene Partei Mundësia (Chancen) zwei und die liberale, aus einer Bürgerbewegung gegen Korruption hervorgegangene Nisma Shqipëria Bëhet (Initiative Albanien wird) einen. Bemerkenswert ist das Ergebnis einer weiteren Kleinstpartei: Zum ersten Mal zieht die Lëvizja Bashkë (Bewegung Zusammen, LB) mit einem Abgeordneten ins Parlament ein.

Die LB ging 2022 aus der linken Gruppe Organizata Politike (OP) hervor. Diese wiederum war die erste Organisation der Neuen Linken, die nach dem Ende des Realsozialismus in Albanien entstand. Ihre Mitglieder spielten in den Studierendenprotesten 2015 und 2018 eine zentrale Rolle und unterstützten in den zehner Jahren maßgeblich den Aufbau unabhängiger Gewerkschaften. Nach einer Reihe von Arbeitskämpfen im Bergbau und der Ölindustrie entschied sich die Organisation 2021, die Kandidatur eines Berg­arbeiters und Gewerkschaftsaktivisten bei der damaligen Parlamentswahl zu unterstützen.

Ein Jahr später transformierte sich die OP zur politischen Partei. Damit einher ging eine theoretische und politische Neuausrichtung. In Abgrenzung zu den Machtkämpfen zwischen PS und PD hatte die OP lange eine strikt antiparlamentarische Haltung eingenommen und sich auf soziale Kämpfe als Mittel gesellschaftlicher Veränderung konzentriert. Das nun ­errungene Mandat wird Arlind Qori wahrnehmen. Der Politologe aus Tirana gilt als theoretischer Kopf der Organisation. Ob der Herrschaft der PS auf ­parlamentarischem Weg besser Widerstand entgegensetzt werden kann als von der Straße, erscheint zweifelhaft. Sicher scheint nur, dass die EU Rama gewähren lassen wird, solange er verlässlich die Drecksarbeit bei der Flüchtlingsabwehr übernimmt.